Reden, Aufsätze und Artikel, die nach dem 01.01.2000 veröffentlicht wurden.

 

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03.10.2000 "Gedanken eines ostdeutschen Soldaten zum 10. Jahrestag der "Deutschen Einheit" GM a.D. Hans-Georg Löffler
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2 18.02.2005 NVA 50. Jahrestag – Worte zur Begrüßung Admiral a.D. Theodor Hoffmann
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3 18.02.2005 NVA 50. Jahrestag – Vortrag Reinhard Brühl
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4 18.02.2005 NVA 50. Jahrestag – Schlusswort AG a.D. Heinz Keßler
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Soldaten schreiben, wie es wirklich war.
Gedanken eines ostdeutschen Soldaten zum 10. Jahrestag der "Deutschen Einheit"

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GM a.D. Hans-Georg Löffler


Elf Jahre sind seit der Öffnung der Sicherungsanlagen an der deutsch-deutschen Grenze vergangen. Vor elf Jahren wurde es erstmalig möglich, die Grenze zwischen den Blöcken – Warschauer Pakt und NATO - ungehindert zu passieren. Das Ende des Kalten Krieges war hiermit programmiert, und eine solche Entwicklung konnte für uns Deutsche, für uns Soldaten nur gut und nützlich sein. Die Soldaten beider Paktsysteme, besonders jedoch die Soldaten beider deutschen Nachkriegsarmeen, wurden von einer großen Last und Sorge befreit.

Was erinnert an die Jahre 1989/90 in der DDR und NVA?

Die rasanten Zerfalls- und Auflösungserscheinungen in den Staaten des Warschauer Paktes und somit in der DDR wurden erst mit Anfang des Sommers 1989 wahrgenommen. Rasant verliefen die Monate und Wochen bis zum ersten „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober 1990. Mit einigem zeitlichen Abstand tritt ins Bewusstsein, dass manches hätte besser gemacht werden können. Doch etwas sehr Wichtiges ist in der Zeit seit dem „Fall der Mauer“ am 9. November 1989 vorbereitet und besiegelt worden – die Wiedervereinigung.

Der Fall der Mauer in Berlin war kein Zufall, er war das Ergebnis vorgelagerter Ereignisse, die nicht nur das Leben in der DDR intensiv beeinflussen, sondern einen wahrhaft revolutionären Prozess eingeleitet hatten.

Einer dieser Meilensteine für die friedliche Revolution war der 19. August 1989, der Tag, als die ungarisch-österreichische Grenze bei Sopron geöffnet wurde und viele DDR-Bürger diese „Zufälligkeit“ zur Flucht in den Westen nutzten. Diese geduldete Zaunöffnung wurde zu einem Signal. Viele, viele DDR-Bürger wollten dem Beispiel von Sopron folgen, Botschaften wurden aufgesucht mit dem Ziel, in den Westen zu gelangen. Auch Soldaten waren unter den Flüchtlingen. Derartiges war nicht mehr zu verheimlichen.

Eine allgemeine Verunsicherung war spürbar, ausgelöst durch eine mangelhafte Information von vorgesetzten Stellen und einige Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen der politischen, staatlichen und militärischen Führung der DDR im Sommer und Herbst 1989. Eine dieser Fehleinschätzungen war die Vorbereitung und Durchführung der Militärparade zum 40. Jahrestag der DDR (zu jener Zeit war der Autor Chef des Stabes des Kommandos eines Militärbezirkes). Denn eine Parade passte keineswegs ins Lagebild der DDR. Die Situation im Lande eskalierte. Meines Erachtens war das Öffnen der Grenzen am 9. November 1989 eine glückliche Lösung zur Deeskalation.

Unsere Schlussfolgerung als Militärs war eindeutig keine Gewalt gegen das eigene Volk, Vermeidung jeglicher „besonderer Vorkommnisse“, Waffen, Sprengmittel und Gefechtsfahrzeuge und vor unberechtigtem Zugriff zu sichern. Das gelang in den letzten Monaten des Jahres 1989, und es blieb ohne „besonderen Vorkommnisse“ bis zur „Schlüsselübergabe“ an die Bundeswehr am 3. Oktober 1990.

Mit besonderem Respekt sei an die gute Disziplin der NVA-Soldaten in jenen kritischen Novembertagen erinnert. Bis auf einige Ausnahmen verliefen die Einberufungen ohne Störungen. Erst eine Konferenz im Ministerium für Nationale Verteidigung am 13.11.1989 gab den Anstoß für Korrekturen in der Militärpolitik der DDR. Diese Konferenz erreichte nicht nur die Ablösung des Verteidigungsministers, diese Konferenz forderte die Durchführung einer Militärreform. Den Vorschub dazu bot die neue Politik (Perestroika/Glasnost) Gorbatschows, die seit 1987 gültige Militärdoktrin „Verteidigung“, die unlogische Forderung nach 85-prozentiger Gefechtsbereitschaft für die Truppen und der Einsatz von ca. 60 000 Soldaten in der Volkswirtschaft. Stark korrekturbedürftig waren Formen, Methoden und Inhalte der Führung, der Ausbildung, der Information – bis hin zur Umsetzung der Beschlüsse von Helsinki (z. B. Korb III). All dieses hatte den Wunsch und den Willen nach Reformen nicht nur unter den Berufssoldaten der NVA ausgelöst.

Eine Anhäufung von Widersprüchlichkeiten des sozialistischen Systems, begonnen in der Sowjetunion, in den WP-Staaten und somit auch in der DDR, sorgte auch für den inneren Zerfall der NVA. Ein Missbrauch der NVA zur Rettung des alten Systems hatte folglich keine Chance.

Auf dieser Grundlage wurde es möglich, trotz vieler „Bauchschmerzen“, den Einigungsprozess zu unterstützen. Unsere Pflicht bestand vornehmlich darin, den Reformprozess in den Streitkräften für ihn günstig zu gestalten. Anfänglich ohne Ahnung, dass am 2. Oktober 1990 alle Dienstflaggen der NVA eingeholt werden mussten.

Bis zur Wahl am 18. März 1990, einer Wahl unter neuen Vorzeichen, wurde versucht, einige Korrekturen im militärischen Bereich herbeizuführen. Dazu zählte u. a.:

  • die SED/PDS hatte ihren Führungsanspruch über die NVA verloren;
  • die Struktur und Gliederung der VA sollte gemäß der neuen Militärdoktrin und der sicherheitspolitischen Lage in Europa gestaltet werden;
  • der Einsatz von Soldaten in der Volkswirtschaft sollte beendet werden;
  • Erarbeitung eines neuen Wehrdienst- und Zivildienstgesetzes etc.

Mit dem Pfarrer R. Eppelmann bekam die DDR ihren ersten zivilen Verteidigungsminister. Nach der Wahl der neuen DDR-Regierung bis zum 3. Oktober 1990 wurden mehrfach die Perspektiven für die NVA inhaltlich korrigiert. Es wurden Hoffnungen auf einen Fortbestand lanciert bzw. rigorose Reduzierungs-, aber auch Auflösungsabsichten für die NVA genannt.

Mit dem Einsetzen der neuen DDR-Regierung hätte auch ein neuer Fahneneid für die Armee gelten müssen. Erst am 20. Juli 1990 erfolgte dieser Vorgang m. E. zu spät und schon wegen des Kaukasus-Gipfels total überflüssig, da das Schicksal der DDR und somit der NVA besiegelt war.

Der Autor dieses Artikels war vom Januar bis zum 2. Oktober 1990 im Hauptstab der NVA tätig und leitete die Verwaltung Organisation, Stellenpläne, Strukturen, Standortplanung … Somit erlebte er „hautnah“ das letzte Jahr der NVA und seiner eigenen 35-jährigen Dienstzeit. Dieser Hinweis deshalb, weil wir seit März 1990 für die Erarbeitung der neuen Strukturen des Verteidigungsministeriums, der Teilstreitkräfte oder Verteidigungsbezirkskommandos entsprechende Arbeitshilfen aus dem BMVg nutzten. So sollte u. a. aus der NVA ab 1. Januar 1991 ein so genanntes „Territorialkommando Ost“ werden und auch Bundeswehruniformen sollten getragen werden! Noch am 15. Mai 1990 wurde auf Weisung des Ministers Eppelmann die Arbeit an der „NVA-Struktur-93“ fortgesetzt. Es war eine Täuschungsaufgabe, aber alle Kommandos und Stäbe waren beschäftigt und das mit „preußischer Gründlichkeit“. Solche „Einlagen“ trugen sehr geschickt dazu bei, die Truppe ruhig zu halten.

So wurde noch am 8. Juni 1990 ein so genanntes „Institut für Konversion“ gegründet und am Eröffnungstag verkündet, dass es für die Streitkräfte des geeinten Deutschlands Übergangsvarianten geben wird. Diese sagen vor, dass bis zum Jahre 1993 (!) der Bestand der NVA auf 100 000 Mann reduziert wird und dass die Hauptverwaltungssysteme ca. 25 bis 50 % des Standes vom Mai 1990 erreichen sollen. Und viele Soldaten der NVA glaubten dieses. Doch es war unvorstellbar, dass es im geeinten Deutschland noch langfristig zwei Armeen geben wird.

Ein besonderes Erlebnis war für mich die Teilnahme an einer Dienstreise am 15. Juni 1990 nach Bonn ins BMVg. Im Haus 540, Zimmer 0101, wurde unsere Arbeitsgruppe u. a. mit den Aufgaben und Strukturen der Streitkräfte …“ bekannt gemacht.

Nach dem Vortrag von Staatssekretär Dr. Carl und dem Lesen der Rede des Ministers Stoltenberg zur 31. Kommandeurs-Tagung der Bundeswehr am 13. Juni 1990 in Feilbach war eigentlich schon erkennbar, dass es für die NVA mit dem Tage der Wiedervereinigung ernsthafte Korrekturen geben wird. Und es kam so!

Zusammenfassend sei hervorgehoben:

  • dass mir mit der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze bewusst wurde, dass die Zeit der unsäglichen Spaltung Deutschlands eines Tages beendet sein wird,
  • dass vielen von uns klar war, dass mit der Wiedervereinigung der Kalte Krieg beendet werden kann (das wurde mit der Auflösung des Warschauer Paktes und mit dem Abzug der russischen Armee aus Ostdeutschland eine Realität,
  • dass die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Bundeswehr ab 20. August 1990 mit aller soldatischen Vernunft erfolgte; uns war daran gelegen, die NVA ordnungsgemäß zu übergeben. Mit Respekt denke ich an die Herren Oberst H. Speidel, Oberstleutnant Lahmann und Fregattenkapität Nicolei,
  • Bedauerlich ist, dass für so manche Entscheidung die notwendige Vorberietungszeit fehlte, doch es herrschte eine totale Zeitnot, denn dieWiedervereinigung musste erfolgen, bevor der Golfkrieg begann (dieser Zusammenhang wurde uns erst später bewusst).

So mancher Mitbürger betrachtet die Aktivitäten von Herbst 1989 bis zum ersten Tag der Deutschen Einheit sehr kritisch und besserwisserisch. Doch für das Schaffen der Grundlagen für eine „Armee der Einheit“ standen nur wenige Monate zur Verfügung. Hierfür gab es kein Programm in einer „Schublade“. Und zu beachten ist, dass es für diesen Vorgang kein Beispiel in der Militärgeschichte gab. Man beachte: aus zwei Armeen, jeweils eingebunden in ein anderes Paktsystem – NATO bzw. Warschauer Pakt – sollte eine Armee werden. Es gelang!

Seit 1990 ist der Autor bemüht, den „Ost-West-Brückenbau“ zu unterstützen. Dieses versuche ich im Rahmen der Gesellschaft für Wehrkunde (GfW), alsl Förderer des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr und bei Konferenzen bzw. Seminaren, so u. a. bei der Konferenz des Aspen-Instituts Berlin im Januar oder beim Zeitzeugenforum des MGFA/K-T-Molinari-Stiftung im September 2000.

Und nach meiner Entlassung in die Arbeitslosigkeit am Abend des 2. Oktober 1990 wollte ich mich nicht „einigen“, durfte ich nicht resignieren. So fand ich einen beruflichen Neuanfang (wie so viele deutsche Soldaten nach 1945) zunächst in einem Vermessungsbüro. Bis zum 31. Mai 2000, fast sieben Jahre, konnte ich in einem größeren Ingenieurunternehmen tätig sein und so die Realisierung des Programms „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ miterleben. Seit dem 1. Juni 2000, 63-jährig, bin ich Rentner und froh darüber, nach der Wiedervereinigung in einem zivilen Beruf etwas für unser Deutschland getan zu haben.

Mein Wunsch ist, dass es uns in Deutschland gemeinsam gelingt, einen Weg von der einstigen Konfrontation zur Kooperation und zum Abbau noch existierender Feindbilder bzw. Abgrenzungen zu finden. Dieses für eine gemeinsame Zukunft in unserem Vaterland – Deutschland.

Der Autor war GenMaj der NVA und chef der Verwaltung 1990 in Strasberg, Hauptstab VerwOrg

 

GM a.D. Hans-Georg Löffler war von 1949 bis 1990 Angehöriger der NVA. Er war Kommandeur in allen operativen Ebenen (u.A. Kommandeur der 1.MSD). Zum Zeitpunkt seiner Entlassung war er Chef der Verwaltung Org. im Ministerium für Nationale Verteidigung.

 

NVA 50. Jahrestag – Worte zur Begrüßung

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Admiral a.D. Theodor Hoffmann auf einer Veranstaltung anlässlich des 50 Gründungstages der NVA, Altlandsberg, 18.02.2005


Sehr geehrte Damen, werte Herren, liebe Genossinnen und Genossen!

Am 18.01.1956 beschloss die Volkskammer der DDR das Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee. Dieser Beschluss erfolgte in Wahrnehmung des souveränen Rechtes der DDR zum Schutz ihrer Bürger und ihrer Errungenschaften vor Angriffen von außen.

Am 01.03.1956 wurden die ersten Führungsorgane und Truppenteile der Nationalen Volksarmee aufgestellt und vereidigt.

Seit dieser Zeit, bis zu ihrer Auflösung, dienten und arbeiteten etwa drei Millionen Bürgerinnen und Bürger als Armeeangehörige und Zivilbeschäftigte in der Nationalen Volksarmee und trugen dazu bei, das die Nationale Volksarmee ein zuverlässiger und geachteter Partner der Streitkräfte de Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages wurde und den Auftrag zur Sicherung des Friedens erfüllte.

Die erste Generation, die den Fahneneid leistete, hatte den zweiten Weltkrieg und seine Folgen noch erlebt. Niemals sollte sich so ein Krieg wiederholen. Dafür nahmen sie die Waffe in die Hand.

Die Mehrheit der Armeeangehörigen und Zivilbeschäftigten teilte das von de Partei- und Staatsführung vermittelte Bedrohungsempfinden und war gewillt, ihr Vaterland, die Deutsche Demokratische Republik, gegen Angriffe von außen zu verteidigen.

In der heutigen Veranstaltung, zu der ich Sie im Namen der ehemaligen Mitglieder des Kollegiums des Ministeriums für Nationale Verteidigung ganz herzlich begrüße, wollen wir uns erinnern – an unseren Dienst in der Nationalen Volksarmee, an Kameraden, mit denen wir gemeinsam auf Wach für den Frieden standen, an unsere Partner aus den Armeen des Warschauer Vertrages, besonders der Sowjetarmee, ohne die die Entwicklung der Nationalen Volksarmee zu einer schlagkräftigen Armee und die Erfüllung der Aufgaben nicht möglich gewesen wäre.

Wir grüßen von dieser Veranstaltung all jene, die gerne an dieser Veranstaltung teilgenommen hätten, jedoch auf Grund ihres hohen Alters und ihres Gesundheitszustandes der Einladung nicht folgen konnten und die uns ihre herzlichen Grüße übermittelten, darunter Admiral Ehm, Generaloberst Brünner, Generalleutnant Gall u. a.

Wir freuen uns, dass wir in unserer Mitte das Mitglied des Bundestages, Frau Dr. Dagmar Enkelmann, begrüßen können.

Wir begrüßen als Gäste unserer Veranstaltung die Vorsitzenden und Vertreter von Organisationen, die ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee im Kampf um ihre verfassungsmäßigen Reche unterstützen und sagen ihnen dafür unseren herzlichen Dank.

Unter ihnen die Vertretungen

  • der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und Menschenwürde mit ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Wolfgang Richter
  • der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung mit dem Vorsitzenden Rechtsanwalt Hans Bauer
  • der Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte der ehemaligen Angehörigen der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung der DDR mit dem Vorsitzenden Genossen Horst Parton
  • des Ostdeutschen Kuratoriums der Verbände mit Genossen Prof. Dr. Mechler
  • des Solidaritätskomitees mit Genossen Erich Postler
  • des Vereins NVA RADAR mit Obermaat a. D. Dipl.-Ing. Thomas Förster

Von dieser Veranstaltung gedenken wir der Armeeangehörigen und Zivilbeschäftigten der Nationalen Volksarmee, die den 50. Jahrestag der Gründung der NVA nicht mehr erleben.

Wir bekunden unser Mitgefühl mit den ehemaligen Armeeangehörigen und den Hinterbliebenen, die während des Dienstes in der Nationalen Volksarmee Dienstbeschädigungen erlitten haben und bekunden unsere Solidarität im Kampf um die Durchsetzung ihrer Rechte.

Wir sind solidarisch mit allen Angehörigen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR, die nach Herstellung der Einheit Deutschlands von den Gerichten der Bundesrepublik strafrechtlich verfolgt wurden.

An dieser Stelle möchte ich den Sponsoren unserer Veranstaltung danken, ohne deren finanzielle Unterstützung diese Veranstaltung kaum möglich gewesen wäre.

Wir danken Oberst a. D. Prof. Dr. Richard Herrmann von der Unternehmergruppe Dr. Richard Herrmann, Berlin; Oberst a. D. Prof. Dr. Enderlein von MEDI GREIF, Greiswald und Major a. D. Jörg Kuhnt.

Unseren herzlichen Dank sagen wir

  • den Herren Hagen und Holger Herbst für die Initiative zur Prägung einer Erinnerungsmedaille zum 50. Jahrestag der Gründung der NVA und für die Gestaltung der Ausstellung,
  • der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung für die Hilfe bei der Vorbereitung der Veranstaltung und die es auch übernommen hat, Gastgeber der Veranstaltung zu sein,
  • Generaloberst a. D. Horst Stechbarth und Hauptmann a. D. Elies für die Gestaltung des Films über die NVA, den wir heute sehen werden,
  • Oberst a. D. Härtl für die Organisation der Kranzniederlegung für die im Kampf um die Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus gefallenen Soldaten der Sowjetarmee, die vor dieser Veranstaltung stattfand.
  • Unser besonderer Dank gilt dem Vorbereitungskomitee dieser Veranstaltung unter Leitung von Oberst a. D. Oelschläger, das diese Veranstaltung sehr sorgfältig vorbereitet hat.

Seit ihrer Gründung dienten und arbeiteten mehrere Generationen von Soldaten und Zivilbeschäftigten in der Nationalen Volksarmee, am Anfang Freiwillige, dann auch Wehrpflichtige.

Die Aufgaben und Probleme, die besonders in den Anfangsjahren zu bewältigen waren, waren nicht leicht.

Die Einsicht in die Notwendigkeit des militärischen Schutzes der DDR und die Energie, mit der die Erfüllung der Aufgaben in Angriff genommen wurden, halfen auch die schwierigsten Aufgaben zu lösen.

Ein Beispiel gaben Spanienkämpfer, antifaschistische Widerstandskämpfer, aber auch ehemalige Angehörige der Wehrmacht, die durch ihre Mitarbeit im Nationalkomitee Freies Deutschland, darunter Frontbeauftragte, ein Bekenntnis zu einem neuen antifaschistischen Deutschland abgelegt hatten.

Sie alle prägten den Charakter der Nationalen Volksarmee.

Die Parteiorganisationen der SED in der NVA, die Freie Deutsche Jugend und die Gewerkschaft der Zivilbeschäftigten der NVA mobilisierten und unterstützten die Armeeangehörigen und Zivilbeschäftigten bei der Erfüllung der gestellten Aufgaben.

Es waren vor allem die Hilfe und die Einflussnahme des Stabes der Vereinten Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages und die Hilfe der Sowjetarmee, z. B. durch die Ausbildung von Kadern, die Bereitstellung von Beratern und Instrukteuren zur Ausbildung an sowjetischer Waffentechnik, die dazu beitrugen, dass die Nationale Volksarmee eine moderne Armee wurde.

Gern erinnern wir uns an unsere Ausbildung an sowjetischen militärischen Lehreinrichtungen und an die Zusammenarbeit mit unseren Partnern der anderen Armeen des Warschauer Vertrages.

Die Nationale Volksarmee und ihre Entwicklung zu einer modernen, dem Volk der DDR verbundenen Armee ist in erster Linie das Ergebnis der Arbeit des Volkes der DDR und der Anstrengungen aller Armeeangehörigen und Zivilbeschäftigten, die im Interesse der Erhaltung des Friedens ganz bewusst große Entbehrungen auf sich nahmen.

Auch der Anteil der Familienangehörigen unserer Soldaten am hohen Stand der Gefechtsbereitschaft verdient hohe Anerkennung.

Wohnen an entlegenen Standorten, oftmaliges Umziehen und damit verbundene Umschulung der Kinder, Abwesenheit der Männer wegen dienstlicher Maßnahmen und fehlende Arbeitsmöglichkeiten an den Standorten – alles das nahmen Soldatenfamilien im Interesse der Friedenssicherung auf sich.

Die Soldateneltern, die Soldatenfrauen und –bräute – die Soldatenfamilien – waren unser zuverlässiges Hinterland.

Auch nach der Einheit Deutschlands gaben sie uns Kraft im Kampf gegen Unrecht.

Dafür sagen wir ihnen herzlichen Dank.

Für die Soldaten auf Zeit und für die Wehrpflichtigen war der Dienst in der NVA ein bedeutender Abschnitt in ihrem Leben. Oft war für sie der Dienst in der NVA auch der Beginn eines neuen Berufsweges.

Auch wenn Filme und Veröffentlichungen über die NVA etwas anderes vermitteln sollen, haben die meisten ehemaligen Angehörigen der NVA gute Erinnerungen an ihre Dienstzeit. Dass nicht jeder Wehrpflichtige begeisterter Soldat war und mancher die Armeezeit als verlorene Zeit ansieht, muss man akzeptieren.

Diese Erscheinungen gibt es schließlich in anderen Armeen auch.

Mit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik Deutschland erfolgte die Auflösung de Nationalen Volksarmee, einer deutschen Armee, die an keinem Krieg beteiligt war, die auch nicht die Waffen gegen das eigene Volk eingesetzt hatte.

Viele Berufssoldaten hatten zu diesem Zeitpunkt die Nationale Volksarmee bereits verlassen.

Die Bundesrepublik hat die Berufssoldaten der NVA nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. Ihr Verhalten zur NVA ist gekennzeichnet durch das Denken und die Rhetorik des Kalten Krieges.

Die Diskriminierung der ehemaligen Berufssoldaten der NVA reicht von der Verfälschung der Geschichte der NVA und der Biografien ihrer führenden Kader bis zur gerichtlichen Verfolgung von Angehörigen der NVA und der Grenztruppen der DDR, obwohl sie ihre Aufgaben in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen der DDR erfüllten.

Für viele stellt sich die Frage, war unser Dienst in der Nationalen Volksarmee umsonst?

Unser Dienst war nicht umsonst!

Wir dienten einem Staat, der eine Alternative zum imperialistischen deutschen Staat war und der eine Politik des Friedens betrieb. Ausdruck dessen ist unter anderem, dass nie ein Soldat der NVA mit kriegerischer Absicht das Territorium eines anderen Staates betrat.

Etwa drei Millionen Bürgerinnen und Bürger dienten und arbeiteten in der NVA. Viele von ihnen hatten ihr Leben für immer mit der NVA verbunden. Sie haben die NVA und die NVA hat sie geprägt.

Die Mehrheit der ehemaligen Angehörigen der NVA hat gute Erinnerungen an die Dienstzeit in der NVA. Die meisten Ereignisse unseres Lebens – gute und auch weniger gute – sind mit dem Dienst in der NVA verbunden. Weder wir noch unsere Familienangehörigen möchten diese Erinnerungen missen.

Es ist eine anerkannte Tatsache, dass das militärstrategische Gleichgewicht zwischen den beiden großen Militärblöcken den Frieden sicherte. Zu diesem Gleichgewicht hat die Nationale Volksarmee ihren Beitrag geleistet.

Das wurde nach der Auflösung des Warschauer Vertrages besonders offensichtlich.

Während Politiker der beiden großen Militärblöcke schon Mitte der 70er Jahre bekannten, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf, versucht man heute klar zu machen, dass Krieg ein Mittel der Politik ist und praktiziert das auch.

Wir haben gedient, um den Krieg zu bekämpfen, bevor er ausbricht, um den Frieden zu erhalten für unser Volk und für die Nachbarvölker.

Darin bestand der Sinn unseres Dienstes in der Nationalen Volksarmee, der Sinn unseres Lebens.

 

Admiral a.D. Theodor war Minister für Nationale Verteidigung (1989 - 1990) und letzter Chef der NVA (1990)

 

 

NVA 50. Jahrestag – Vortrag

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Reinhard Brühl auf einer Veranstaltung anlässlich des 50 Gründungstages der NVA, Altlandsberg, 18.02.2005


Vom Sinn unseres Soldatseins

Was wählt man zum Hauptinhalt eines Vortrages anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung einer Armee, die es seit fünfzehn Jahren nicht mehr gibt? Einer Armee, die nicht deshalb endete, weil sie in einem Krieg für verbrecherische Ziele vernichtend geschlagen worden wäre oder weil weltweit Friede herrschte und sie ihre Schwerter hätte zu Pflugscharen umschmieden können. Sondern einer Armee, deren Existenz deshalb endete, weil der Staat und das Gesellschaftssystem, die sie zu ihrem Schutz geschaffen hatten, sich im Kampf der beiden sich feindlich gegenüberstehenden Systeme als nicht überlegensfähig erwiesen.

Der Anlass eignet sich weder zu einem Vortrag feierlichen Gedenkens an eine Dahingeschiedene, noch zu einer unkritischen Lobeshymne. Deshalb erstehe ich meinen Beitrag vor allem als eine Referenz an alle, die in den Jahren der Existenz der DDR als Berufs- oder Zeitsoldaten, als Freiwillige oder Wehrdienstleistende ihren Dienst diszipliniert und im Wissen um die ihnen übertragene Verantwortung gewissenhaft erfüllten, trotz der mit ihm verbundenen Entbehrungen, Schwierigkeiten und oft auch Härten. Es waren maßgeblich sie, die Soldaten dieser Armee, die durch ihre Einsatz- und Leistungsbereitschaft sowie die Beherrschung der vorhandenen Bewaffnung und Ausrüstung der NVA die Anerkennung als einer der Interessen des Volkes verpflichteten und zugleich zuverlässigen Bündnisarmee einbrachten.

Erinnerung ist sicher das Hauptmotiv für die Treffen, die ehemalige Angehörige der NVA anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung ihrer Armee in diesen Wochen wie hier in Altlandsberg so auch in anderen Orten der neuen Bundesländer zusammenführt. Es ist ihnen ein Bedürfnis, sich dabei an einem, wen nicht den zentralen Teil ihrer Biografie sowie an die Haltung, die Leistungen und Anstrengungen jener Wehrpflichtigen, Zeit- und Berufssoldaten zu erinnern, mit denen sie in Erfüllung ihres Auftrages in einem der beiden deutschen Staaten dienten. Sie werden an Erlebnisse denken, die sie vor Jahrzehnten hatten und auch an Genossen und Weggefährten, die nicht mehr unter den Lebenden weilen.

Sicher werden auch die nach dem tiefen Einschnitt des Jahres 1990 in ihrer Biografie gemachten Erfahrungen und gewonnenen neuen Einsichten und Erkenntnisse Gegenstand ihrer Gespräche sein. Sie, die mit ihren Waffen nie ungebeten das Territorium anderer Staaten betreten haben – werden sich erneut Gedanken um den Sinn ihres Soldatseins in einer Zeit machen, in der beide deutsche Staaten in sich feindlich gegenüberstehende Militärpakte eingebunden waren und auch darüber, wozu die Bundesrepublik, die nur von Freunden und Verbündeten umgeben ist und deren Grundgesetz die Vorbereitung von Angriffskriegen verbietet, die Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionstruppe umstrukturiert.

Anregungen zu den Gesprächen bieten auch die seit 1990 erschienenen Publikationen zur Militärpolitik der DDR und zur NVA (1). Die mir zur Verfügung stehende zeit reicht nicht, darauf näher einzugehen. Nur so viel sei gesagt: In den Publikationen finden sich, insbesondere dank des seit 1990 ungehinderten Zugangs zu DDR-Archiven manch neue Fakten. Durch sie wird das Wissen über die Militärgeschichte der DDR verbreitert, bisher Unbekanntes oder Verdrängtes aufgedeckt und auch deutlich, wo wir unsere eigene Geschichte – der Ideologie und Politik folgend – schon gefärbt haben. Allerdings fußt nicht jede Neubewertung der Militärgeschichte der DDR nur auf neuen Fakten, sondern auch auf der politischen Grundhaltung der Autoren und ihrer zumeist anderen Wahrnehmung des Erlebens zweier deutscher Armeen im Kalten Krieg.

Die von Oberst a. D. Prof. Fischer geleitete Arbeitsgruppe „Geschichte der NVA …“ beim Landesvorstand Ost des DBwV hat im Sammelband „Was w die NVA! (2) und in der Reihe „Information“ wertvolle und zum Nachdenken anregende Beiträge zur Militärgeschichte der DDR veröffentlicht. Damit haben die Autoren einen wichtigen Beitrag zu einerhistorisch-kritischen Neubefragung und zum Teil Neubewertung der Geschichte der Militärpolitik und der Streitkräfte der DDR geleistet. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf den informativen und ausgewogenen Aufsatz von Lothar Schröter und Joachim Schunke „Zur Geschichte der Militärpolitik in beiden deutschen Staaten“ (3). Es ist der erste auf Forschungen basierende Vergleich ihrer Militärpolitik.

Bedeutsam für die heutige und auch künftige Bewertung der geschichtlichen Rolle der NVA sind schließlich die Memoiren und Erinnerungen ehemaliger Angehöriger der NVA. Nur einige können hier genannt werden: von den LSK/LV Klaus Baarß „Lehrgang X“ und Franz Spurs „Fliegen Sie sich frei“, von der VM Theodor Hoffmanns „Kommando Ostsee“ und Horst Loßins „Klar Schiff“ (4). Aufschlussreich sind auch die bisher erschienenen Sachbücher über die Teilstreitkräfte, Waffengattungen, Verbände, Einrichtungen und Dienststellen der NVA. Sie alle sind als Quellen unverzichtbar für eine Gesamtschau über die Geschichte der NVA. Es sind die Aussagen von Zeitzeugen, in denen Ereignisse und Entwicklungen aus der Sicht von Handelnden bewertet werden, Aussagen, in denen sich – wie selten in Akten – auch die Motive und Empfindungen dieser Handelnden widerspiegeln. Sie sind eine Ergänzung zu den Akten und können manches von dem, was in Schriftstücken steht, nicht selten zutreffender interpretieren als der Forscher, der nur das Schriftstück kennt. Sie können Hintergründe aufhellen, erklären, warum und mit welchem Zweck eine Entscheidung oder ein Bericht so und nicht anders getroffen bzw. abgefasst wurde.

Memoiren und Erinnerungen sind allerdings subjektiv und Zeit bezogen. Von der österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, der gute Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe nachgesagt wird, soll der Aussprach stammen: „Nicht was wir erlebten, sondern vor allem, wie wir empfanden, was wir erlebten, prägt unsere Erinnerung.“ Es ist dies zugleich ein Hinweis darauf, dass Erinnerungen lückenhaft sein oder trügen können. Hinzu kommt, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, dass sich manches Erlebte später verfärben kann, das Eine kann schöner, das Andere düsterer werden. Manches schwindet ganz aus der Erinnerung. Doch das sollte Zeitzeugen, die Wichtiges zur Aufhellung unserer Geschichte, zur Korrektur früherer oder heutiger Darstellungen und Bewertung zu sagen haben, nicht hindern, Erinnerungen niederzuschreiben und publik zu machen. Andererseits sollten Historiker, die ihre Geschichtsdeutungen häufig allzu einseitig aus den Akten ableiten, die biologisch versiegende Quelle Zeitzeuge nutzen, um auch mit ihr der historischen Wahrheit näher zu kommen.

Erinnerung ist Blick auf ein gelebtes Leben, auf markante Einschnitte wie den Dienstbeginn oder die schweren Anfangsjahre, auf Höhepunkte wie den Einsatz in Kommandeursdienststellungen oder Übungen und Manöver und auch auf Alltägliches. Unser Wissen um uns selbst und unsere Identität werden wesentlich von solchen Erinnerungen geprägt. Das Verlangen ehemaliger NVA-Angehöriger nach Erinnerung resultiert aber auch daraus, dass sie ihre Biografie, ihre Lebensleistung durch politische Entscheidungen sowie durch jene mediale Berichterstattung und „Aufarbeitung“ der Geschichte der NVA diskreditiert und entwertet sehen, für die Begriffe wie Unrechtsstaat oder zweite deutsche Diktatur sowohl Ausgangspunkt der Betrachtung wie Maßstab der Bewertung sind. Im Unterschied dazu setzt die Erinnerung der Angehörigen der NVA nicht bei diesen politisch gesetzten Werturteilen an und nimmt nicht sie zum Maßstab des Zurückliegenden, sondern beginnt mit der konkret-historischen Situation, in der sie antraten. Auch der Maßstab der Bewertung ihres Tuns ist ein anderer, nämlich der in Artikel 7 der DDR-Verfassung formulierte Auftrag der NVA, die DDR und die sozialistischen Errungenschaften des Volkes in enger Waffenbrüderschaft mit den Armeen der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten zu schützen.

Dafür, wie wir Berufssoldaten der NVA unseren Dienst wahrnahmen, seien genannt.

  1. Für uns waren Gründung und Existenz der NVA Ausdruck des Selbstbehauptungswillens unseres Staates, der – als Produkt des Ost-West-Konflikts entstanden – eine legitime Alternative zum zerschlagenen NS-Staat bildete und der dafür eintrat, dass nie mehr Krieg von Deutschland ausgehe. Sie war zugleich Ausdruck des Daseinsanspruchs und Selbstbehauptungswillens eines Gesellschaftssystems, das als historische Alternative zum imperialistischen antrat.
  2. Für uns war die Einbindung der NVA in die Militärorganisation des Warschauer Vertrages folgerichtig, denn erst durch sie war unter den Bedingungen des Ost-West-Konflikts sowohl ein zuverlässiger Schutz der DDR gegen Angriffe von außen als auch ein notwendiger Beitrag zur Abschreckung eines potenziellen Aggressors zu gewährleisten. Und wir legen auch heute noch Wert auf die Feststellung, mit unserer Pflichterfüllung zur Bewahrung des Friedens in Zentraleuropa beigetragen zu haben.
  3. Wir sahen uns als Angehörige einer Armee, die dem Willen des Volkes verpflichtet ist, einer Volksarmee. Deren Führung durch die SED war für uns kein Widerspruch, denn schließlich war die Verfassung, die dies festschrieb, 1974 in einer Volksabstimmung von über achtzig Prozent der Bevölkerung angenommen worden. Dem Volk verpflichtet fühlten sich die Armeeangehörigen auch, als sie 1989/1990 zu einem friedlichen Verlauf der Ereignisse beitrugen.

Soweit in Kurzform Kernpunkte der Wahrnehmung unseres Dienstes in der Zeit der Existenz zweier deutscher Armeen im Kalten Krieg. Diese Wahrnehmung ist das Prägende unserer Erinnerung. Natürlich sind uns auch andere Seiten unseres Dienstes in Erinnerung geblieben, so die Auswirkungen der zunehmenden finanziellen und wirtschaftlichen Probleme der DDR auf die Dienst-, Arbeits- und Lebensbedingungen, die nicht selten hinter den Erwartungen zurückbleiben, das Unverständnis über die Beibehaltung hoher Anforderungen an die ständige Gefechtsbereitschaft bei gleichzeitiger langfristiger Abkommandierung ganzer Einheiten in die Volkswirtschaft, der Ärger über die Schönfärberei in den DDR-Medien und die doktrinären Züge in de politisch-ideologischen Arbeit u. a.

Doch bei allem kritischen Nachdenken über die Militärpolitik der DDR und den Dienst in der NVA fällt es wohl der Mehrheit ehemaliger Soldaten der NVA schwer, sich und das Verständnis, in dem sie ihren Dienst verrichteten, zu erkennen in Darstellungen, die den Kalten Krieg entweder weitgehend ausblenden oder den Eindruck vermitteln, dass aggressives Verhalten oder Zuspitzungen der Lage allein der UdSSR und ihren Verbündeten anzulasten sind (5) und die deshalb die NVA vor allem als Instrument der inneren „Herrschaftssicherung“ ausweisen (6). Diese Soldaten erkennen ihr Leben in der DDR nicht wieder, wenn es ihnen vorwiegend als Leben in einer Diktatur mit Mauer und Stasi vorgehalten wird und wenn Errungenschaften der DDR wie deren fortschrittliche Arbeits- und Sozialgesetzgebung, die gleichen Chancen aller zu Bildung, die kostenlose medizinische Betreuung oder auch die durchaus vorhandene Basisdemokratie als unwichtig außer Betracht bleiben. Sie setzen sich auch kritisch mit jenen Unzulänglichkeiten und Verstößen auseinander, die es im inneren Gefüge der NVA gab und die den selbst gestellten Ansprüchen zuwiderliefen. Aber sie finden sich und die Armee, in der sie dienten, nicht wieder, wenn geschrieben wird: „Das Militär der DDR offenbart sich auf allen Ebenen als ein perfides, menschenverachtendes Zwangssystem, geprägt von rigider Unterordnung und Unterdrückung.“ (7)

Solche Auslastungen, Vereinfachungen und Verabsolutierungen lassen ernsthafte Zweifel am Bemühen des Autors um Objektivität und an solider Quellenarbeit aufkommen. Allzu deutlich ist darin der so genannte „Kinkel-Auftrag“ zur Delegitimierung der DDR zu spüren. Es ist verständlich, wenn dies Widerspruch herausfordert. So schreibt Generalleutnant a. D. Horst Sylla zu den Beweggründen der Autoren für den „Abriss einer Geschichte des Militärbezirks V (Neubrandenburg) folgendes: „Selbstachtung, Würde, Berufsethos und Offiziersehre gebieten uns Zeitzeugen, die Lebensleistung von mehreren Soldatengenerationen der NVA nicht von Außenstehenden entwerten zu lassen. … Ich betrachte es als ein Gebot des Respekts, das Engagement und die Leistungen der NVA-Soldaten zu würdigen, den nachkommenden Generationen nicht vorzuenthalten und der vorherrschenden Geschichtsrevision sachkundig entgegen zu treten.“ (8)

Die NVA war das Werk mehrerer Soldatengenerationen. Für ca. 3 Millionen Bürger der DDR war der Wehrdienst in ihr ein prägendes soziales Erlebnis, dem sie sich  - teils aus Überzeugung, teils in Befolgung der Gesetzeslage – stellten.

Mit dem Aufbau bewaffneter Kräfte der DDR wurden Männer betraut, die ihre antifaschistische Gesinnung und ihren Willen zum Aufbau eines neuen friedliebenden Deutschlands bereits unter Beweis gestellt hatten. Heinz Hoffmann, Fritz Dickel, Arthur Franke, Hein Brandes, Fritz Johne und andere aus der Arbeiterbewegung kommende Genossen hatten bereits am militärischen Kampf gegen den Faschismus für die Verteidigung der frei gewählten spanischen Volksfrontregierung teilgenommen. Waldemar Verner, Herbert Scheibe, Ernst Haberland, Paul Blechschmidt, Johann Wesolek, Walter Steffens, Erwin Bartz und anderen hatten in Deutschland illegal gegen Faschismus und Krieg gekämpft und diesen Kampf auch in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern des Regimes oder in der Emigration weiter geführt. Obwohl keiner von ihnen sich zum Offiziersberuf drängte, war es für sie selbstverständlich, dem Auftrag ihrer Partei zu folgen und mitzuhelfen, bewaffnete Kräfte zum Schutz der neuen Ordnung aufzubauen. Wir erinnern uns auch an Angehörige der Wehrmacht wie Otto Korfes, Wilhelm Adam, Bernhard Bechler, Hans Goßens, Werner Pilz, Walter Leweß-Litzmann, Eberhard Charisius, Hermann Lewerenz, Heinz Neukirchen u. a., die sich in Erkenntnis des verbrecherischen Krieges des NS-Regimes und im Willen um den Aufbau eines neuen Deutschland bereits während des Krieges an die Seite der roten Armee gestellt hatten, um deutsche Soldaten zur Beendigung des Krieges zu bewegen. Sie waren aus dem Krieg heimgekehrt mit dem Vorsatz, sich für ei Deutschland einzusetzen, von dem nie wieder Krieg ausgehen würde. Wenn sie doch wieder Soldat wurden, dann weil sie erkannten, dass der Aufbau eines neuen Staates des militärischen Schutzes bedurfte.

Neben diesen führenden Männern gehörten zur so genannten Aufbaugeneration der NVA auch tausende Freiwillige: heimkehrende Kriegsgefangene, die in jugendlichem Alter in einen verbrecherischen Krieg geschickt worden waren und sich nun dem Schutz eines antifaschistisch-demokratischen Deutschland zur Verfügung stellten, Jugendliche, zumeist FDJler, die sich aus Tatendrang oder aus Einsicht in die Notwendigkeit meldeten oder auch solche, die um einen Arbeitsplatz willen den Dienst als Soldat aufnahmen.

Vor einigen Wochen gewährte mir einer der damals 18jährigen FDJler einen Einblick in das seinerzeit von ihm geführte Tagebuch (9). Dort war u. a. Zu lesen: „10.09.1952. Nach langer Bahnfahrt aus Brandenburg/Havel und mehrfachem Umsteigen kamen wir endlich in Prora an. Es besteht aus etwa 2000 Zelten, Gebäuden für Küchen, Versammlungsräumen, Lagern u. a. … Abends kann man das Rauschen des Meeres vernehmen. In den Zelten steht eine Holzpritsche …. Wir sind zu Zwölft in unserem Zelt.“

In den Eintragungen der folgenden Tage ixt die Rede von den Eindrücken, die er im Lagerleben des noch nicht fertigen Objekts gewann, von dessen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten, aber auch von entstehenden Kameradschaften, vom ersten Bekanntwerden mit Dienstvorschriften und von Ausbildungsstunden im Gelände, von der Gründung einer FDJ-Gruppe während einer Übungspause im Gelände, von noch unerfahrenen jungen Offizieren und von alten Kommunisten, zu denen er Vertrauen habe, vom Möbeltransport, dem Einrichten und endlichen Beziehen der noch immer nicht ganz fertigen Unterkünfte, von dem mitreißenden Auftreten des Ensembles der Baltischen Rotbannerflotte u.a.m.

In der Eintragung vom 17.11.1952 heißt es u. a.: „Am Vormittag erhielt ich endlich meine eigene Waffe. Eine MPi, wie sie die Sowjetarmee besitzt. Weil sie stark eingefettet war brauchte ich lange, sie zu reinigen. Ich tat es gern, ist sie doch dazu gedacht, im Ernstfall unsere Feinde zu bekämpfen.“

In einem Begleitbrief schreibt mit der Tagebuchführer: „Heute, nach über 53 Jahren, lese ich das, was ich seinerzeit als 18jähriger KVP-Anwärter heimlich festgehalten habe, nicht ohne innere Bewegung…“ Zum einen empfinde er noch immer Stolz darauf, zu denen gehört zu haben, die im Sinne Ulrich von Huttens sagen können: „Wir haben’s gewagt“ – den Schritt zum Aufbau einer neuen Ordnung und zu ihrem Schutz. Zugleich wundere er sich darüber, was man damals und in den folgenden DDR-Jahren aus Überzeugung, Gläubigkeit und auch aus Naivität „alles an Ungewöhnlichem … hingenommen hat“.

Das von den Abgeordneten der DDR am 18. Januar 1956 einstimmig angenommene Gesetz über die Schaffung de Nationalen Volksarmee und die Bildung eines Ministeriums  für Nationale Verteidigung kam für die Mehrheit der Offiziere der Kasernierten Volkspolizei nicht unerwartet. Insbesondere die ohne ernsthafte Prüfung erfolgte Ablehnung der Vorschläge der sowjetischen Note vom 10. März 1952 durch Adenauer und die Westmächte war bei uns auf völliges Unverständnis gestoßen. Warum lehnten sie Vorschläge ab, deren Annahme den Weg zu einem einheitlichen demokratischen Deutschland, zum Abzug aller Besatzungsmächte und zur vollen staatlichen Souveränität und Unabhängigkeit Deutschlands hätten ebnen können? Und dies sogar um den „Preis einer Entlassung Mitteldeutschlands aus dem eigenen direkten Zugriff“ (10). Die Antwort darauf fanden wir dann in jener Politik, die, der US-Strategie des „roll back“ folgend, direkt zur Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO und zum offiziellen Beginn des Aufbaus der Bundeswehr führte. Damit waren für eine nicht absehbare lange Zeit alle Brücken für eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten abgebrochen.

Dass diese Entwicklung auch von einer Mehrheit der damaligen Mannschaften und Unteroffiziere als bedrohlich für die DDR empfunden wurde und eine angemessene Antwort erforderte, zeigte sich u. a. darin, dass sich Tausende von ihnen, deren Verpflichtungszeit abgelaufen war, noch ein oder zwei Jahre weiter verpflichteten. Sie hielten – wie die Abgeordneten aller Fraktionen der Volkskammer und die vielen das Gesetz bejahenden Stimmen aus allen kreisen der Bevölkerung – die im Aufbau befindliche neue Ordnung sowohl für verteidigungswürdig wie angesichts der gegebenen Lage auch für bedroht.

Es macht schon sehr nachdenklich, wenn ein Historiker eine solche Entscheidung wie überhaupt die Akzeptanz der DDR mit dem Begriff „fremdzwangdominiertes Sozialverhalten“ (11) bewertet oder zu erklären sucht. Es spricht auch nicht von historischem Denken, wenn derselbe Autor für die Sicherungspolitik der DDR zur damaligen Zeit von der Alternative „Friedenssicherung oder Militarisierung“ (12) spricht und der DDR-Führung unterstellt, sie habe sich für die Militarisierung des Landes entschieden. Historisches Denken verlangt, eine jede Handlung oder Entscheidung an den Umständen und Bedingungen ihrer Zeit zu prüfen. Und die legten nahe, zur Friedenssicherung durch den Aufbau einer regulären, in den Warschauer Vertrag eingebundenen Armee beizutragen.

Die Gründung dieser Armee fand auch deshalb vielfache Zustimmung, weil deren Bewertung als eine Zäsur in der deutschen Militärgeschichte durchaus reale Grundlagen hatte. Erstmals in der deutschen Geschichte war eine Armee in einem Staat mit einer neuen sozialökonomischen und politischen Grundlage geschaffen worden. Im Sinne der Beschlüsse des Potsdamer Abkommens waren die Träger der ökonomischen und politischen Grundlagen des NS-Systems entmachtet, die wichtigsten Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum überführt und die entscheidenden Hebel der politischen Macht in den Händen von Menschen, die aktiv am Kampf gegen Faschismus und Krieg bzw. beim Aufbau einer antifaschistischen Ordnung teilgenommen hatten. Es gab keine Partei oder gesellschaftliche Gruppierung im Lande, die irgendwelchen revanchistischen Zielen – z. B. der Beseitigung der Oder-Neiße-Grenze oder der Wiederherstellung der Grenzen von 1937 – das Wort redete. Bei durchaus unterschiedlichen Vorstellungen über die weiteren Schritte zur Gestaltung einer sozialistischen Ordnung – zu der sich alle Parteien und Organisationen bekannten – galt ihr Hauptinteresse der Sicherung friedlicher Bedingungen für den Aufbau dieser Ordnung. In ihr sollte nicht der Profit, sondern das Allgemeinwohl letztlich bestimmend für die wirtschaftliche Entwicklung sein, sollten die Betreuung der Kinder und deren Bildungschancen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, sollte soziale Sicherheit und Gesundheitsfürsorge für alle gewährleistet sein. Es würde eine Ordnung sein, in der keiner einen Krieg will, weil er in ihm nichts zu gewinnen hat. Das machte die DDR für uns verteidigungswürdig, auch wenn es in ihr kein Wirtschaftswunder nach Art der BRD gab.

Der Zusammenhang zwischen neuer gesellschaftlicher Ordnung und Frieden war bestimmend für unser Verständnis vom Sinn des Soldatseins in der Nationalen Volksarmee. Wir waren uns sicher, dass die in der DDR in Aufbau befindliche neue Ordnung Frieden braucht und will. Und wir wüssten andererseits, dass aus dem Schoß der kapitalistisch-imperialistischen Ordnung und ihren Militärbündnissen schon zweimal in diesem Jahrhundert Kriege hervorgegangen waren.

Warum sollten wir annehmen, dass sich das nicht wiederholen könnte, waren doch die sozialökonomischen Grundlagen dieser Ordnung in der Bundesrepublik nicht angetastet worden und hatten wir doch Grund, uns und den Frieden bedroht zu fühlen. Die DDR sah sich bedroht u. a. durch Adenauers mehrfach ausgesprochene Forderung nach Beseitigung der „Soffjetzone“ und nach Ablehnung der Vorschläge der UdSSR von 1952 durch die Einbindung der BRD in das westliche Militärbündnis, durch die Annahme der US-Militärstrategie des überraschenden massiven Kernwaffenschlags („massive Vergeltung“) seitens der NATO als „Schwert-Schild-Strategie“ und durch die Forderung nach Wiederherstellung der Grenzen von 1937 (13). Auch die Bundesrepublik sah sich bedroht, vor allem durch die Stärke der konventionellen sowjetischen Truppen auf dem Territorium der DDR. Doch jede der beiden Seiten fühlte nur sich selbst bedroht und nahm die Bedrohungswahrnehmungen der anderen Seite nicht wahr. Aus unseren Bedrohungswahrnehmungen der DDR ergab sich unsere Bereitschaft, dem Land als Soldat zu dienen. Nicht als „Herrschaftssicherung“ gegen die eigene Bevölkerung verstanden und versahen wir unseren Dienst, sondern als Sicherung einer Ordnung des Friedens und des sozialistischen Aufbaus gegen eine Bedrohung von außen.

Auch die der Aufbaugeneration und den Freiwilligen der Jahre bis 1961 folgenden Generationen der Wehrpflichtigen sahen – von einer Minderzahl abgesehen – die Notwendigkeit des Schutzes von Sozialismus und Frieden als gegeben an. Seit die USA 1954 die ersten Atomkanonen M-65 auf dem Territorium der Bundesrepublik stationiert hatten, war dies zum Hauptstationierungsraum der taktischen und operativ-taktischen Kernwaffeneinsatzmittel der NATO und Lagerplatz für bis zum 85 %, also etwa 6000 der dazu bestimmten Kernwaffen geworden. Die für den zentraleuropäischen Kriegsschauplatz vorgesehenen Streitkräfte de NATO verfügten über einen hohen Ausbildungsstand und waren mit modernster Bewaffnung sowie Aufklärungs-, Führungs- und Kampftechnik ausgerüstet. Der operative Ausbau des Territoriums der BRD als Konzentrierungsraum, Kampfzone sowie Nach- und Abschubraum für die kämpfende Truppe begann und verlief in einem ständigen Prozess der Erweiterung und Modernisierung. Ausgehend von der These, dass Abschreckung glaubhaft sein muss, forcierten vor allem die USA ständig das Wettrüsten mit dem Ziel der Erringung der militärtechnischen und militärstrategischen Überlegenheit. Mehrere Übungen und Manöver der NATO auf dem Gebiet der BRD sahen den frühzeitigen Einsatz von Kernwaffen auf das Gebiet sozialistischer Staaten vor. Einzelne von ihnen waren so nahe an die Grenzen der DDR verlegt, dass sich die Militäraufklärung der NVA zu der Feststellung genötigt sah: „Es wird immer schwerer einzuschätzen, ob es sich tatsächlich um Übungen oder um die konkrete Vorbereitung auf eine Aggression handelt.“ (17).

Angesichts dieser militärpolitischen Entwicklungen verstand auch die Mehrheit der Wehrpflichtigen, dass die ehrliche Absicht allein den Frieden nicht sicherte, sondern nur die Fähigkeit, einen Angreifer erfolgreich schlagen zu können. Sie betrachteten eine den Erfordernissen der Lage angemessene Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft als die ihrem Auftrag gemäße Zustimmung zur Friedenspolitik ihres Staates, die damals allgemeine internationale Anerkennung fand. Die Soldaten trugen das Wort vom „Sinn des Soldatseins“ ebenso wenig ständig auf den Lippen wie irgendwelche politische Losungen. Ihr Bekenntnis zum Sinn ihres Soldatseins stellten sie durch die Erfüllung ihrer Dienstpflichten unter Beweis. Sie erbrachten mehrheitlich gute Leistungen in der Gefechtsausbildung, auch wenn es wegen Mängeln in der Organisation des Dienstes gelegentlich Gammelei gab und wenn es ein ständiges Ärgernis blieb, dass die negativen Seiten der EK-Bewegung nicht in den Griff zu bekommen waren. Hohe Einsatzbereitschaft war typisch in Übungen und Manövern. Die wachsende Fähigkeit der Kommandeure zur Truppenführung, die Beherrschung der Waffen und Technik sowie die Leistungen der Truppen fanden in zunehmendem Maße hohe Anerkennung durch das Kommando der Vereinten Streitkräfte, ebenso wie die zuverlässige Erfüllung der Aufgaben der LSK/LV im Diensthabenden System und der Flottenkräfte im Gefechtsdienst.

Die Angehörigen aller Teilstreitkräfte stellten sich den vor allem durch das Diktat der Normen der ständigen Gefechtsbereitschaft verursachten Entbehrungen. Im Wissen um die Verantwortung ihrer Männer und Väter nahmen auch die übergroße Mehrheit der Ehefrauen und Familien die Härten in Kauf, die sich aus deren Dienst für sie ergaben (15).

In der gerade erschienenen Geschichte der 8. Mot. Schützendivision schreibt der Autor, Obstl. Dr. Klaus Froh abschließend: „Die Angehörigen der 8. MSD haben zu allen Zeiten unter allen Bedingungen die ihnen vom Staat gestellten militärischen Aufgaben erfüllt und waren verlässliche Waffenbrüder im System des Warschauer Vertrages. Sie beherrschen ihr Waffenhandwerk und ihre Kommandeure waren gut ausgebildete Militärspezialisten Ihre soldatischen Tugenden waren stark ausgeprägt. … Für viele Angehörige und insbesondere für die Berufssoldaten der 8. MSD war der Dienst in diesem Verband Lebensinhalt und immer auch Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Die Angehörigen der 8. MSD haben in ihren jeweiligen Standorten das kulturelle und sportliche Leben der Bevölkerung stark gefördert. In Katastropheneinsätzen, ob bei Hochwasser oder bei den Winterschlachten … sowie bei der Aufrechterhaltung der Volkswirtschaft, insbesondere in der Landwirtschaft, wurden von den Angehörigen der Division außergewöhnliche Leistungen vollbracht. Bei aller Differenziertheit und kritischen Betrachtung der Entwicklung der DDR, seiner Volksarmee einschließlich der 8. MSD … ist die Geschichte der Division die Geschichte der Soldaten, Unteroffiziere, Fähnriche, Offiziere und Generale, die in der Division gedient haben.“

Über diese individuellen Wortmeldungen hinaus geben die in über zwei Jahrzehnten in der NVA durchgeführten soziologischen Befragungen deutlich Auskunft über die Haltung der Armeeangehörigen (16). Sie wurden nach 1990 auch vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Sachkompetenz, eine den Erfordernissen solcher Befragungen entsprechende Vorgehensweise und realistische Bewertung ihrer Ergebnisse bestätigt. In seiner eigenen Bewertung dieser Befragungen kommt das SOWI zu folgenden Ergebnissen:

„Im Allgemeinen dokumentieren die zwischen 1967 und 1989 gewonnenen Umfrageergebnisse eine hohe Verbundenheit der Armeeangehörigen mit der DDR, was sich primär an den Antworten auf die Frage ablesen lässt, ob man bereit ist, die DDR unter Einsatz des eigenen Lebens zu verteidigen … Der Anteil der dazu bereiten Soldaten (steigerte sich) von anfänglichen 62 % bis auf 80 % im Jahre 1980, um dann bis 19985 allmählich auf 73 % und danach steil auf 51 % im Jahre 1989 abzufallen.“ Der Autor führt das auf die veränderte Bedrohungsperzeption und auch auf die sinkende Verteidigungswürdigkeit der DDR zurück und fährt fort:

„Nichts desto trotz gaben aber noch Ende November 1989 zwei Drittel der befragten Soldaten und Unteroffiziere an, sich mit der DDR eng verbunden zu fühlen.“ Frappiert zeigt sich der Autor darüber, das in dieser Phase noch immer 94 $ der Befragten für einen reformierten Sozialismus votierten. Und schließlich resümiert er, dass die vor allem aus der Verbundenheit mit der DDR, der Anerkennung ihrer Friedenspolitik und der Bedrohungsperzeption „zusammengesetzte Überzeugung  vom ‚sinn des Soldatsein im Sozialismus’ im Gegensatz zu der Behauptung von Peter Joachim Lapp, dass dies niemals der Fall gewesen wäre, beim größten teil der Armeeangehörigen offensichtlich durchaus vorhanden war.“ (18) Doch als immer offensichtlicher wurde, dass in einer atomaren Auseinandersetzung alles vernichtet werden würde, was doch verteidigt werden sollte, gewann die Erhaltung des Friedens den höheren Wert gegenüber der Bereitschaft, den Sozialismus notfalls auch in einer solchen Auseinandersetzung zu verteidigen (19).

Gewiss reicht unsere Wahrnehmung des Kalten Krieges und das wesentlich daraus resultierende Selbstverständnis vom Sinn unseres Soldatseins nicht, das Problem NVA und Friedensdienst allseitig zutreffend zu rekonstruieren. Dazu sind auch objektive Gegebenheiten in Rechnung zu stellen, also historisch-kritisch zu untersuchen. Hier seien vor allem folgende genannt: 1. Welche Wirkungen und Konsequenzen ergaben sich für die DDR aus ihrer Zugehörigkeit zu einem Staatenbündnis, in dem das Friedensinteresse aller Beteiligten zugleich von den Machtinteressen der Sowjetunion dominiert und beschnitten war? Alle Staaten des Bündnisses waren von der Breshnew-Doktrin einer eingeschränkten Souveränität der realsozialistischen Staaten betroffen. Eine kluge Entscheidung bewahrte die NVA davor, nach Maßgabe dieser Doktrin ihren Fuß ungebeten auf das Territorium eines verbündeten Staates setzen zu müssen. 2. Welche Konsequenzen hatten innere Entwicklung der DDR, insbesondere die zunehmenden ökonomischen Probleme, die Verweigerung einiger politischer Menschenrechte, denen die Regierung doch im Korb drei der Schlussakte von Helsinki zugestimmt hatte sowie das Machtverständnis, der Realitätsverlust und die Reformunwilligkeit des Politbüros einerseits auf inneren Frieden? 3. Welche Konsequenzen ergaben sich für die Landesverteidigung der DDR und besonders für deren Kernstück, die Nationale Volksarmee, aus der Zugehörigkeit zu einem Militärbündnis, dessen Kriegsbild, Militärdoktrin und militärstrategische Vorstellungen wesentlich von der Führungsmacht des Bündnisses vorgegeben waren? Und in diesen spielte, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen der Sowjetunion, die Vorbereitung auf den Ernstfall, ja auf einen nicht auszuschließenden schlimmsten Fall (worst case) eine entscheidende Rolle. Die strategischen Planer der NATO betrachteten es stets als selbstverständlich, einen atomaren Krieg nicht aus ihren Überlegungen auszuschließen und „auch das Undenkbare zu denken und praktisch vorzubereiten“, denn das war – wie ein westdeutscher Autor namens Klaus Naumann bekannte – sogar der einzige Weg, dem Abschreckungskonzept selbst die erwünschte Glaubwürdigkeit zu beweisen.“ (20) Die Redlichkeit gebietet es, ein solches Denken und Handeln auch den strategischen Planern des Warschauer Bündnisses zuzubilligen.

Es spricht auch für das Verständnis vom Sinn des Soldatseins in der NVA, dass sich in ihr Offiziere fanden, die – wie Walter Ulbricht schon 1963 – die Sinnkrise des Krieges nicht nur erkannten und offen ansprachen, sondern auch auf daraus zu ziehende Konsequenzen drängten. Sie hatten es anfangs nicht schwer, sich gegen eingefahrenes politisches und militärisches Denken sowie seit Jahrzehnten geübte Praktiken durchzusetzen, doch die 1987 verabschiedete neue Militärdoktrin des Warschauer Vertrages bestätigte ihr Denken. Ihre Ideen wirkten als geistige Wegbereiter sowohl für die Reformbewegung in de NVA wie für deren Verhalten in den Jahren 1989/90 (21).

Die Angehörigen der NVA verstanden sich immer als den Interessen des Volkes der DDR und des Friedens verpflichtet. Deshalb hatten sie 1983 Erich Honeckers gegen einen „Raketenzaun“ in Europa gerichtete Worte „Jetzt erst recht – alles für den Frieden“ ebenso zugestimmt wie dem von ihm im Januar 1989 verkündeten Beschluss zu einseitigen Abrüstungsmaßnahmen der DDR. Doch an der Innenpolitik nahmen sie immer mehr Anstoß. Warum sollte die Mauer noch 100 Jahre stehen? Warum wollte er den tausenden Bürgern, die wegen ausbleibender innenpolitischer Reformen mit seiner Zustimmung in die BRD ausreisten, keine Träne nachweinen? Erkannte er noch immer nicht die Notwendigkeit innenpolitischer Reformen? Und keine Stimme aus dem Politbüro und der Regierung mahnte öffentlich zu Realitätssinn und Reformen. Es gehört auch  zu den schmerzlichen Erinnerungen an diese Zeit, dass Angehörige der NVA in eigens aufgestellten Hundertschaften, jedoch nicht mit Waffen, sondern nur mit Schlagstöcken ausgerüstet, gegen Demonstrierende vorgehen sollten. Die dazu befohlenen Offiziere und Soldaten gerieten so in Zwiespalt zwischen Befehlsausführung und Verweigerung. Letztlich aber handelten sie – „geführt von verantwortungsbewussten Kadern (nach) ihrem Verständnis von einer Armee des Volkes“ und trugen so auch zur Erhaltung des Friedens im Inneren bei (22). Schließlich entzogen sie der Führung des Staates und der SED ihr Vertrauen.

Vom ersten Tag der Gründung der NVA an war es der Sinn des Soldatseins, dem Schutz von Frieden und Sozialismus zu dienen. Die seither vor sich gegangenen Veränderungen im Militärwesen und die damit eingetretene Sinnkrise des Krieges machten die Sicherung des Friedens zum höchsten Gut. Das fand 1986 in folgender Formulierung des XI. Parteitages der SED seinen Niederschlag: „Es ist der Sinn des Soldatseins im Sozialismus, den Frieden zu erhalten, zu verhindern, dass die Waffen sprechen.“ Ein letzter Beweis für ihre Zustimmung zu dieser Aussage waren Haltung und Handeln der Armeeangehörigen aller Dienstgrade im Jahre 1990.

 

Fußnoten

  1. Einen fortlaufenden Überblick bietet die Rubrik „Neuerscheinungen deutschsprachiger Veröffentlichungen über die NVA“ in der Reihe „Information“, hrsg. Von der Arbeitsgruppe Geschichte der NVA und Integration ehemaliger NVA-Angehöriger in Gesellschaft und Bundeswehr beim Landesvorstand Ost des Deutschen Bundeswehrverbandes.
  2. Was war die NVA? Studien, Analysen, Berichte. Zur Geschichte der NVA, Berlin 2001.
  3. Lothar Schröter/Joachim Schunke, Zur Geschichte der Militärpolitik in beiden deutschen Staaten. Ein Vergleich. In: hefte zur ddr-geschichte, Nr. 90, Berlin 2004.
  4. Werner Rothe, Jahre im Frieden, Schkeuditz, 1997; Hans-Georg Löffler, Soldat im kalten Krieg. Erinnerungen, Bissendorf, 2002, Klaus-Jürgen Baarß, Lehrgang X. In geheimer Mission an der Wolga, Essen, 2004, Franz Spur: Fliegen Sie sich frei!“ Fliegerschule Kamenz/Bautzen. Entstehung und Geschichte. 1950-1990. Dresden 2006, Theodor Hoffmann, Kommando Ostsee. Vom Matrosen zum Admiral, Hamburg 1995, ders.: Das letzte Kommando. Ein Minister erinnert sich, Herford, 1993; Horst Loßin. Klar Schiff – streng geheim – Ganz offen, Neuenhagen, 2003.
  5. Wilfried Hanisch, Rezension zu Militär, Staat und Gesellschaft in: Information Nr. 17, S. 72 ff.
  6. Torsten Diedrich, Herrschaftssicherung, Aufrüstung und Militarisierung im SED-Staat, in: Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR, a.a.O.; S. 257 ff.

 

Reinhard Brühl war ...

 

 

NVA 50. Jahrestag – Schlusswort

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Armeegeneral Heinz Keßler auf einer Veranstaltung anlässlich des 50 Gründungstages der NVA, Altlandsberg, 18.02.2005


Hochverehrte Anwesende,
liebe Genossinnen und Genossen!

Ich denke, ihr werdet mir zustimmen, wenn wir all den vielen Genossinnen und Genossen, Helferinnen und Helfern von ganzem Herzen danken für diese wunderbare Veranstaltung mit diesem wunderbaren Inhalt, der dazu beiträgt, der Wahrheit die Ehre zu geben.

Liebe Genossinnen und Genossen,

die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Was bedeutete der Dienst in der Nationalen Volksarmee?“ – kurz gefasst  „Der Sinn des Soldatseins in der Nationalen Volksarmee.“

Gestatten Sie mir dazu ein paar Ergänzungen: Der 2. Weltkrieg und aus der Sicht der Völker der Sowjetunion, der Große Vaterländische Krieg, ausgelöst durch den deutschen Imperialismus, seiner schlimmsten Form, dem Faschismus, hat den Völkern Europas und anderen Völkern unendliches Leid beschert.

Im Ergebnis des Sieges der Antihitlerkoalition und vieler, vieler anderer gegen den Faschismus kämpfender Menschen beschloss das Potsdamer Abkommen der Antihitlerkoalition, für die Zukunft solche Voraussetzungen zu schaffen, dass so etwas der Menschheit niemals widerfahren kann. Und deswegen wurde nicht zuletzt das deutsche Volk aufgefordert mitzuhelfen, solche Voraussetzungen zu schaffen, indem es die Ursachen, die zu diesem fürchterlichen Krieg geführt haben, ein für allemal beseitigt, und zwar die politischen, moralischen und ökonomischen Ursachen.

Das ist einer der Faktoren, der den Sinn des Soldatseins in der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik bestimmte.

Ein zweiter, nicht weniger wichtiger Faktor war der Schwur jener Antifaschisten- darunter vieler Kommunisten – von Buchenwald, die repräsentativ für viele Gleichbetroffene unendlich vieler Konzentrationslager wie Maidanek, Auschwitz, Ravensbrück und anderer sprachen, indem sie laut und deutlich erklärten: Wir werden alles dafür tun, dass niemals wieder imperialistischer Krieg und Faschismus von deutschem Boden ausgehen.

Das war ein weiterer Baustein des Sinns des Soldatseins in der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik.

Um diesen Sinn im praktischen Leben der Angehörigen der Nationalen Volksarmee umzusetzen und zu realisieren, lautete zugleich die Aufgabe, die Soldaten, die Unteroffiziere, die Offiziere, ganz gleich welchen Dienstgrades, mit den fortschrittlichen politischen, moralischen, kulturellen Traditionen unseres deutschen Volkes und anderer Völker vertraut zu machen.

Vielleicht können sich viele Genossinnen und Genossen daran erinnern, dass wir fast in jedem Truppenteil, in vielen Einheiten Traditionszimmer hatten, die die Traditionen der fortschrittlichen Kräfte des jeweiligen Kreises, des Bezirkes, des Landes, ja des ganzen Volkes widerspiegelten und mit Hilfe und anhand dieser Traditionszimmer und dessen, was dort dargestellt wurde, die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mit dem Besten, was unser Volk hervorbrachte, vertraut gemacht wurden.

Ich darf in diesem Zusammenhang erinnern, dass die Nationale Volksarmee und die dafür kompetenten und zuständigen Organe vielfältige Beziehungen zu den kulturellen Einrichten der Deutschen Demokratischen Republik hatte.

Fast zu allen Künstlerverbänden, wie zu dem Verband der Bildenden Künste, der Darstellenden Künste, zum Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik pflegte die Nationale Volksarmee enge Beziehungen. Und es hat keinen einzigen traditionellen Feiertag in unserer Deutschen Demokratischen Republik gegeben, wo nicht namhafte Künstler der bildenden Kunst, der darstellenden Kunst unseren Armeeangehörigen geholfen haben, sich mit dem Besten, was die Kultur unseres Volkes hervorgebracht hat, vertraut zu machen.

All das gehört auch zum Sinn des Soldatseins, zum Begreifen, was man tun muss, um dieses kulturelle Erbe zu erhalten, das heißt in erster Linie den Frieden zu erhalten.

Und ich denke, liebe Genossinnen und Genossen, wir sind uns darüber einig, wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, damit es nie mehr imperialistische Kriege gibt, die einzig und allein dem Ziel dienen, die Ressourcen – die personellen Ressourcen, die materiellen Ressourcen – anderer Völker auszuplündern; auf deren Kosten die Profitrate weiterzusteigern und auf diese Weise ihre imperialistische Herrschaft aufrechtzuerhalten. Wir erleben das heute in verschiedenen Teilen der Welt und es ist darum ein Irrtum anzunehmen, dass unser Volk auf die Dauer die Tatsache hinnehmen wird, dass man lehrt: die Interessen des deutschen Volkes werden am Hindukusch verteidigt.

Das ist der prinzipielle Unterschied zwischen der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik und der Armee, die es heute in der Bundesrepublik Deutschland gibt.

Ich darf in diesem Zusammenhang eure Aufmerksamkeit noch einmal darauf hinlenken, dass viele bedeutende Künstler der Deutschen Demokratischen Republik enge Beziehungen hatten zu den Kulturhäusern unserer Truppenteile, unserer Hochschulen, zur Akademie der Nationalen Volksarmee, dass sie dort in gemeinsamen Gesprächen mit den Angehörigen dieser Einrichtungen beraten und besprochen haben, wie diese Kulturhäuser am besten künstlerisch gestaltet und ausgestattet werden.

All das zeugt davon, dass die Nationale Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik zu den politischen, moralischen und kulturellen Werten unseres Volkes eine enge unlösbare Beziehung hatte.

Ich darf noch auf einen weiteren Umstand hinweisen, der wie das vorher Gesagte von den Historikern, von den über die Nationale Volksarmee Schreibenden, nach meiner Auffassung viel zu wenig beachtet wird.

Es gab keinen einzigen Truppenteil (und viele Einheiten), der nicht enge Beziehungen zu den volkseigenen Betrieben der Industrie und Landwirtschaft hatte.

Es gab hier enge politische, moralische und natürlich auch materielle Beziehungen. Viele volkseigene Betriebe der Industrie und Landwirtschaft hatten die Patenschaft über Einheiten und Truppenteile und für die von ihnen zur Nationalen Volksarmee delegierten Soldaten. Sie verlangten Rechenschaft, wie sie ihren Dienst in der Nationalen Volksarmee durchführten und sie garantierten ihnen, dass sie nach Beendigung ihres Dienstes in der Nationalen Volksarmee ihren Arbeitsplatz in ihrem Betrieb, aus dem sie hervorgegangen waren, wieder finden werden. Also jeder junge Mensch, der in der Nationalen Volksarmee gedient hat, hatte eine sichere, klare, vorauszusehende Perspektive.

Ich darf auch daran erinnern, dass viele Angehörige der nationalen Volksarmee, die ihre Pflicht in der Nationalen Volksarmee gewissenhaft erfüllt hatten, an den Universitäten, Hochschulen und Fachschulen der Deutschen Demokratischen Republik studieren und dass aus ihnen viele hervorragende Wissenschaftler auf allen Gebieten der Wissenschaft hervorgegangne sind.

Auch das alles, liebe Genossinnen und Genossen, gehört zum Sinn des Soldatseins in der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik.

Und noch eine Bemerkung möchte ich machen: Vielleicht erinnern wir uns alle daran, dass die Angehörigen der Nationalen Volksarmee, um nur Beispiele zu nennen, mitten in unserem Volk dafür kämpften, dass Mandela endlich aus lebenslänglicher Haft entlassen wurde.

Ich darf daran erinnern, dass die Angehörigen der Nationalen Volksarmee bei allen großen Solidaritätsaktionen für die um ihre Freiheit kämpfenden Völker aktiv moralisch, politisch und materiell beteiligt waren.

Wir standen auf der Seite des Volkes von Vietnam, das seine Freiheit gegen den amerikanischen Imperialismus verteidigte.

Auch das gehört zum Sinn des Soldatseins in der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik.

Und ich glaube, dass für uns alle die Pflicht darin besteht, dem Beispiel dieser Veranstaltung zu folgen, mitzuhelfen, in allen Kreisen, Bezirken und Ländern unseres Deutschlands ähnliche Veranstaltungen zu organisieren, wo wir den Sinn des Soldatseins in der Deutschen Demokratischen Republik erklären und erläutern, an all dem Material, was uns heute auf dieser Veranstaltung geboten wurde.

Ich möchte noch auf einen weiteren Gesichtspunkt aufmerksam machen: Wo immer wir in unserem Lande leben, wirken, arbeiten oder als Rentner unser Leben gestalten: wir dürfen nie vergessen, die Solidarität, die antifaschistische Solidarität, von der Ché sagte, es sei eine Notwendigkeit für die Völker, dass sie immer wieder neu entfacht und entwickelt wird. Wir müssen mithelfen, diese Solidarität unter die Menschen unseres Volkes zu tragen.

Und ich möchte schließen mit den Worten, wie es in dem bekannten Lied, der Internationale heißt: Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun, uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.

 

Armeegeneral Heinz Keßler war von 1980 bis 1989 Minister für Nationale Verteidigung

 

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oker, 20.01.2009