Quellennachweis |
Bundesarchiv, Militärarchiv,
(BA-MA), DVW 1/67081 |
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Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium
für Nationale Verteidigung
BEFEHL Nr. 105/89
des Ministers für Nationale Verteidigung über
Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung anläßlich
des 40. Jahrestages der DDR
vom 27.09.1989
Am 07.10.1989 begehen die Bürger der Deutschen Demokratischen
Republik voller Stolz und Freude den 40. Jahrestag der Gründung
der Deutschen Demokratischen Republik.
Aus Anlaß dieses gesellschaftlichen Höhepunktes entfachten
bestimmte Kreise in der BRD eine außergewöhnliche Hetzkampagne
gegen unsere Partei- und Staatsführung sowie gegen das gesamte
Volk der DDR. Wesentlich verstärkt haben sich ihre provokatorischen
Handlungen, die ihren bisherigen Höhepunkt in den bewaffneten Anschlägen
gegen unsere Staatsgrenze und das Leben von Bürgern und Grenzsoldaten
fanden.
Zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung BEFEHLE ICH:
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1. |
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(1) |
Auf der Grundlage der Direktiven Nr. 3 und 4 über die
Gefechtsbereitschaft der Nationalen Volksarmee bzw. der Grenztruppen
der DDR haben die Stellvertreter des Ministers sowie der Stadtkommandant
der Hauptstadt der DDR, BERLIN, die Maßnahmen zum Übergang
zu einer höheren Stufe der Gefechtsbereitschaft unter
Berücksichtigung der kommandierten Kräfte und Mittel
sowie der Urlauber zu gewährleisten. |
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(2) |
Die Diensthabenden Systeme der Teilstreitkräfte sind
entsprechend den dafür geltenden militärischen Bestimmungen
im vollen Umfang aufrechtzuerhalten. |
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(3) |
Für die Nationale Volksarmee werden für den Zeitraum
vom 06.10.1989, 06.00 Uhr, bis zum 09.10.1989, 06.00 Uhr,
Sicherheitsmaßnahmen festgelegt. |
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(4) |
Die zum Einsatz kommenden Angehörigen der Nationalen
Volksarmee und der Grenztruppen der DDR sind allseitig auf
ihren Dienst vorzubereiten. Die Tagesdienste und Wachen sind
sorgfältig auszuwählen und einzuweisen. |
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(5) |
In den Objekten der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen
der DDR ist der Sicherung der Kampftechnik, Bewaffnung und
Ausrüstung, insbesondere von Parks, Waffenkammern, Munitions-
und Tanklagern, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. |
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(6) |
In der Militärmedizinischen Akademie und im Lazarett
POTSDAM sind zusätzliche Bettenkapazitäten bereitzuhalten. |
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2. |
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(1) |
In der Zeit vom 03.10.1989, 06.00 Uhr, bis 09.10.1989, 06.00
Uhr, ist an der Staatsgrenze der DDR zu BERLIN (WEST) zur
verstärkten Grenzsicherung überzugehen.
An der Staatsgrenze der DDR zur BRD sind Maßnahmen zum
kurzfristigen Übergang zur verstärkten Grenzsicherung
vorzubereiten.
An der Staatsgrenze der DDR zur CSSR und zur VR Polen ist
die verstärkte Grenzüberwachung durchzuführen. |
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(2) |
Durch den Stellvertreter des Ministers und Chef der Grenztruppen
der DDR und den Stellvertreter des Ministers und Chef der
Volksmarine sind die erforderlichen Maßnahmen des Zusammenwirkens
mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen auf der Grundlage
der Pläne des Zusammenwirkens abzustimmen. |
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(3) |
Während der Zeit der verstärkten Grenzsicherung
sind keine Maßnahmen des Pionier- und signaltechnischen
Ausbaus an der Staatsgrenze der DDR zu BERLIN (WEST) durchzuführen. |
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3. |
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(1) |
Durch die Nationale Volksarmee und die Grenztruppen der
DDR sind in der Zeit vom 06.10.1989, 06.00 Uhr, bis 09.10.1989,
06.00 Uhr, folgende Kräfte und Mittel als Reserven vorzubereiten
und in Bereitschaft zu halten
durch den Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes
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ein Einsatzkommando (200 Mann) des Wachregimentes
2 in erhöhter Gefechtsbereitschaft |
durch den Stellvertreter des Ministers und Chef der Landstreitkräfte
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ein Mot.-Schützenbataillon (350 Mann) des Mot.-Schützenregimentes
2 im Standort STAHNSDORF in erhöhter Gefechtsbereitschaft |
- |
eine Fallschirmjägerkompanie des Luftsturmregimentes
40 im Standort LEHNIN in erhöhter Gefechtsbereitschaft |
durch den Stellvertreter des Ministers und Chef der Luftstreitkräfte
und Luftverteidigung
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eine Hubschrauberstaffel (6 Hubschrauber Mi-8T) mit
Kräften und Mitteln der fliegertechnischen Sicherstellung
aus dem Bestand des Transporthubschraubergeschwader
34 auf dem Flugplatz BRANDENBURG/BRIEST in der Bereitschaftsstufe
3 |
durch den Stellvertreter des Ministers und Chef der Grenztruppen
der DDR
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Einsatzeinheiten in einer Gesamtstärke von 400
Mann |
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ein Tauchertrupp im Objekt des Grenzregimentes 36 |
Der Stellvertreter des Ministers und Chef der Grenztruppen
der DDR ist berechtigt, die Einsatzeinheiten auf eigenen Entschluß
einzusetzen.
durch den Stadtkommandanten der Hauptstadt der DDR, BERLIN
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ein Einsatzkommando (300 Mann) des Wachregimentes
in erhöhter Gefechtsbereitschaft |
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(2) |
Die Bereitstellung der Reserven hat mit dem Ziel zu erfolgen,
im Zusammenwirken mit den Kräften des Ministeriums für
Staatssicherheit und des Ministeriums des Innern jederzeit
zuverlässig Aufgaben zur Gewährleistung der gesamtstaatlichen
Sicherheit, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie
einer stabilen politischen Lage in der Hauptstadt der DDR,
BERLIN, erfüllen zu können. |
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(3) |
Der Einsatz der festgelegten Reserven zur Erfüllung
von Aufgaben, außer den Einsatzeinheiten der Grenztruppen
der DDR, erfolgt auf Befehl des Ministers für Nationale
Verteidigung. |
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4. |
Die Chefs und Leiter der Politorgane haben zu gewährleisten,
daß unter Einbeziehung von Berufskadern mit den in den Objekten
befindlichen Armeeangehörigen und Angehörigen der Grenztruppen
der DDR eine der politischen Bedeutung des 40. Jahrestages der Gründung
der DDR angepaßte politische Arbeit sowie vielfältige
kulturelle und sportliche Maßnahmen organisiert werden. Der
Führung von persönlichen politischen Gesprächen ist
besondere Aufmerksamkeit zu widmen. |
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5. |
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(1) |
Zur Gewährleistung einer hohen Führungsbereitschaft
sind in den festgelegten Zeiträumen der Sicherheitsmaßnahmen
einzusetzen:
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a) |
in den Dienstbereichen und Bereichen des Ministeriums
für Nationale Verteidigung, in den Kommandos der
Teilstreitkräfte der NVA, im Kommando der Grenztruppen
der DDR und in den Kommandos der Militärbezirke |
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diensthabende Chefs, die außerhalb der
Dienstzeit ständig in ihren Wohnungen erreichbar
sein müssen |
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b) |
in den Verbänden und Truppenteilen der Teilstreitkräfte
der NVA und der Grenztruppen der DDR |
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Diensthabende der Führung, die, außer
zur zeitweiligen Erfüllung von Aufgaben in
den Objekten, ständig in ihren Wohnungen
erreichbar sein müssen. |
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(2) |
Bei Notwendigkeit haben die Kommandeure der Verbände
und Truppenteile zur Aufrechterhaltung der Führung weitere
Kräfte einzusetzen. |
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(3) |
Die unter Ziffer (1) genannten diensthabenden Chefs sind
dem Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes
fernschriftlich bis zum 02.10.1989 zu melden. |
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6. |
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(1) |
Die Standortältesten haben den Militärstreifendienst
im engen Zusammenwirken mit den zuständigen Volkspolizeikreisämtern
zu organisieren und im Zeitraum der Sicherheitsmaßnahmen
zu verstärken. |
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(2) |
Die Kommandeure und Leiter haben eine sorgfältige Vorbereitung
der Urlauber und Ausgänger durchzusetzen. Insbesondere
sind die Angehörigen der Nationalen Volksarmee und der
Grenztruppen der DDR über ihr Verhalten bei politischen
und anderen Provokationen zu belehren. |
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(3) |
Die Durchfahrt von Urlaubern durch die Hauptstadt der DDR,
BERLIN, ist im Zeitraum der Sicherheitsmaßnahmen einzuschränken. |
Exkursionen und Ausgang in die Hauptstadt der DDR, BERLIN, sind
für Angehörige der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen
der DDR in den festgelegten Zeiträumen nicht gestattet. |
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7. |
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(1) |
Die Meldung über die Lage an der Staatsgrenze (Anlage
1) ist am 07.10. und am 8.10.1989 durch den Operativen Diensthabenden
des Ministeriums für Nationale Verteidigung vorzubereiten
und jeweils bis 02.00 Uhr durch einen Verbindungsoffizier
dem Ministerium für Staatssicherheit übergeben zu
lassen. |
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(2) |
Die Angaben der Teilstreitkräfte der NVA und der Grenztruppen
der DDR sind dem Operativen Diensthabenden des Ministeriums
für Nationale Verteidigung jeweils am Vortag bis 20.00
Uhr fernmündlich zu übermitteln. |
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8. |
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(1) |
Mit der Kontrolle der Durchsetzung des Befehls wird der
Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes beauftragt. |
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(2) |
Über die Einleitung der erforderlichen Maßnahmen
ist ihm unter Berücksichtigung der Festlegungen der Anlage
2 bis zum 02.10.1989, 12.00 Uhr, fernschriftlich Vollzug zu
melden. |
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9. |
Die Anlagen 1 und 2 werden bestätigt. |
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10. |
Dieser Befehl tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und ist, außer
der Urschrift, bis zum 30.10.1989 zu vernichten. |
Berlin, den 07.09.1989
H. Keßler Armeegeneral
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