Datum 09. November 1989
Ereignis 89/11/09/12/A
Quellenart Überrest
Quellennachweis Hans – Hermann Hertle (Hrsg.): Das Ende der SED. Die letzten Tage des Zentralkomitees. Berlin 1997. Tonbandabschrift der ZK Sitzung.
Quellenabschnitt ebenda S. 274
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Vors. Egon Krenz:

Damit ist einmütig beschlossen, die Parteikonferenz vom 15. bis 17. Dezember durchzuführen.

Beifall

und mit diesem Beschluss gehen wir bis 12:30 in die Pause.

   
interne Nummer 00001

Datum 09. November 1989
Ereignis 89/11/09/12/A
Quellenart Überrest
Quellennachweis Hans-Hermann Hertle: Der Fall der Mauer. Die unbeabsichtigte Selbstauflösung des SED-Staates. Opladen 1996. ISBN – 3-531-12927-9
Quellenabschnitt ebenda S. 339
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Gespräch mit Wolfgang Herger

Herger: Ich bekam dann den Entwurf der Verordnung. Zwischen 12.30 und 13.00 Uhr hat es während der 10. ZK-Tagung eine Pause gegeben. Dazu gibt es zum Teil völlig sinnentstellte Darstellungen. Es fand keine Sitzung statt. Da habe ich mich in einer Darstellung auch schon geirrt. Es fand keine reguläre Sitzung, auch keine außerordentliche Sitzung des Politbüros statt, sondern die Sache war so: Ich habe Egon Krenz diesen Entwurf in die Hand gedrückt. Einige Mitglieder und Kandidaten des Politbüros liefen schon in den Nachbarraum, um sich dort etwas zu essen zu holen. Egon Krenz sagte: "Bleibt doch mal hier, ich habe hier etwas ganz Wichtiges." Einige Mitglieder des Politbüros standen im Präsidium der ZK-Tagung um ihn herum, und er verlas den Entwurf dieser Verordnung.
Hertle: Im Saal?
Herger: Im Saal schon, aber nur im Präsidium oben ...
Hertle: ... ich meine, im Plenarsaal?
Herger: Im Plenarsaal! Aber nicht vor dem gesamten ZK, das kam später. Die meisten Mitglieder des ZK waren draußen, wie gesagt, einige Mitglieder des Politbüros waren auch schon rausgegangen. Ich weiß z.B. nicht, ob Schabowski da war und um 12.30 Uhr mitgehört oder nicht mitgehört hat. Er sagt, er habe es nicht gehört. Aber ich kann weder ja noch nein sagen. Ich weiß überhaupt nicht, wer das mitangehört hat - ich habe es schon so oft versucht zu rekonstruieren. Ich kann mich noch genau erinnern an Jochen Willerding und Günter Sieber, weil Egon Krenz sagte: "Bleibt bitte da, das geht euch auch an. Es geht hier auch um die Internationale Auswirkung." Ich kann mich auf die Namen der anderen nicht festlegen. Vielleicht war es die Hälfte etwa des Politbüros, die dabei war. Von den anwesenden Mitgliedern des Politbüros wurde dem im wesentlichen zugestimmt. Es gab zwei oder drei Bemerkungen, die aber lediglich stilistische Veränderungen waren. Das weiß ich deswegen noch so genau, weil Egon Krenz zu mir gesagt hat: "Ruf Willi Stoph an, damit dem Ministerrat nicht zwei Fassungen vorgelegt werden; eine, die wir jetzt hier diskutiert haben, und eine, die dann andere Formulierungen hat." Gegen 13.00 Uhr habe ich mit Willi Stoph telefoniert ...
Hertle: ... war Stoph am Amtssitz oder im ZK-Gebäude?
Herger: Er war im Hause des Ministerrats. Ich habe ihn über die interne, die sogenannte W-Tsch-Leitung, die geheime Leitung, erreichen können.
Hertle: Er hatte den Entwurf schon vorliegen?
Herger: Er hatte den Entwurf schon vorliegen, ja, klar ...
Hertle: ... von Gerhard Lauter ...
Herger: ... von Lauter oder von Friedrich Dickel, nehme ich an, also auf dem offiziellen Dienstweg. Lauter hatte ihn wahrscheinlich Dickel gegeben, und Dickel wird ihn Stoph gegeben haben.
Hertle: Von wem hatten Sie den Entwurf im ZK-Gebäude bekommen?
Herger: Ich habe den Entwurf von einem Mitarbeiter der Abteilung für Sicherheitsfragen bekommen, der die Verbindung zwischen mir und dem Beauftragten von Fritz Dickel gehalten hat.
Hertle: Von Lauter ist die Vorlage in das ZK-Gebäude ...
Herger: ... direkt zu mir gekommen über einen Mitarbeiter.
Hertle: Und gleichzeitig zu Dickel?
Herger: Ja, gleichzeitig zu Dickel. Und Dickel hat sie Stoph – offensichtlich über Kurier – geschickt, denn es war ja schon eine Vorlage für den Ministerrat.

Wolfgang Herger war zum damailigen Zeitpunkt Sekretär der Sicherheitsabteilung des Zentralkomitees der SED

   
interne Nummer 00001