Datum 09. November 1989
Ereignis 89/11/09/15/A
Quellenart Überrest
Quellennachweis BStU, ZA, MfS-Arbeitsbereich Neiber 553, (Bl. 15-19).
Abgedruckt in: Hans Hermann Hertle: Der Fall der Mauer.
Quellenabschnitt S. 490
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Sitzungsmaterial/MR-Umlauf,
Vorlage: Zeitweilige Übergangsregelung für Reisen und ständige Ausreise aus der DDR,
Berlin, den 9.11.1989

Sitzungsmaterial MR-Umlauf
Berlin, den 9.November 1989

Mitglieder des Ministerrates

Es wird gebeten, beiliegende Beschlußvorlage

Zeitweilige Übergangsregelung für Reisen VVS b2-937/89 und ständige Ausreise aus der DDR

Vorsitzender des Ministerrates

bis h e u t e , Donnerstag, den 9.November 1989, 18.00 Uhr
im Umlaufverfahren zu bestätigen.

Möbis[39]

Sitzungmaterial Vertrauliche Verschlußsache VVS b2-937/89
MR-Umlauf
9.11.89
Ausf. 4 Seiten
V 1204/89

Titel der Vorlage: Zeitweilige Übergangsregelung für Reisen und ständige Ausreise aus der DDR
Einreicher der Vorlage: Vorsitzender des Ministerrates
gez. Willi Stoph

Berlin, den 9. November 1989

Beschlußvorschlag

Der beiliegende Beschluß zur zeitweiligen Übergangsregelung für Reisen und ständige Ausreise aus der DDR wird bestätigt.

Beschlußvorschlag

Zur Veränderung der Situation der ständigen Ausreise von DDR-Bürgem nach der BRD über die CSSR wird festgelegt:

1. Die Verordnung vom 30. November 1988 über Reisen von Bürgem der DDR in das Ausland (GBI. I Nr. 25 S. 271) findet bis zur Inkraftsetzung des neuen Reisegesetzes keine Anwendung mehr.
2.

Ab sofort [Unterstreichung von mir] treten folgende zeitweilige Übergangsregelungen [40] für Reisen und ständige Ausreisen aus der DDR in das Ausland in Kraft:

a) Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt.
b) Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der VPKÄ in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Die Antragstellung auf ständige Ausreise ist wie bisher auch bei den Abteilungen Innere Angelegenheiten möglich.
c) Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen.
Damit entfällt die vorübergehend ermöglichte Erteilung von entsprechenden Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR bzw. die ständige Ausreise mit dem Personalausweis der DDR über Drittstaaten.
3. Über die zeitweiligen Übergangsregelungen ist die beigefügte Pressemitteilung am 10. November 1989 zu veröffentlichen. [Hervorhebung von mir]

Verantwortlich: Regierungssprecher beim Ministerrat der DDR


Pressemitteilung

Berlin (ADN)
Wie die Presseabteilung des Ministeriums des Innern mitteilt, hat der Ministerrat der DDR beschlossen, daß bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung durch die Volkskammer folgende zeitweilige Übergangsregelung für Reisen und ständige Ausreisen aus der DDR ins Ausland in Kraft gesetzt wird:

1. Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt.
2. Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der VPKÄ in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Die Antragstellung auf ständige Ausreise ist wie bisher auch bei den Abteilungen Innere Angelegenheiten möglich.
3. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen.
4. Damit entfällt die vorübergehend ermöglichte Erteilung von entsprechenden Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR bzw. die ständige Ausreise mit dem Personalausweis der DDR über Drittstaaten.

[39] Harry Möbis, seit 7.11.1989 Leiter des Sekretariats des Ministerrates.
[40] "Zeitweilige Übergangs" wurde im Text handschriftlich gestrichen.
   
interne Nummer 00018

Datum 09. November 1989
Ereignis 89/11/15/A
Quellenart Tradition
Quellennachweis Hans-Hermann Hertle;
"Der Fall der Mauer. Die unbeabsichtigte Selbstauflösung des SED-Staates.";
Opladen 1996; ISBN – 3-531-12927-9
Quellenabschnitt ebenda S. 327 ff.
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Gespräch Hans-Hermann Hertle mit Gerhard Lauter

Berlin, 24.2.1992
[Gerhard Lauter war im November 1989 Leiter der Hauptabteilung Pass – und Meldewesen im Ministerium des Innern und beauftragt am Morgen des 9. November die Vorlage für die neue Reiseregelung auszuarbeiten.]

Hertle: Dieser Auftrag wurde Ihnen mündlich erteilt?
Lauter: Ja. Es gab da keine schriftlichen Aufträge. Mau bekam einen Anruf, dann leuchtete auf dem Tableau mit den vielen grünen Knöpfen ein roter auf und man wußte, das ist ein großer Auftrag. Diesen Anruf stellte dann auch nicht die Sekretärin durch, sondern man kam gleich selber ins Gespräch. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es Friedrich Dickel oder Lothar Ahrendt war, der mir diesen Auftrag erteilt hat. Aber das hätte in der Sache keine Rolle gespielt, denn wenr Dickel nicht im Haus war, hat Ahrendt amtiert, und damit war es die gleiche Befehlshierarchie. Der Auftrag lautete weiter, daß ich mich dazu am nächsten Morggen mit verantwortlichen Mitarbeitern des MfS zusammensetzen solle - obwohl ich dafür gar nicht zuständig war. Die Regelung der ständigen Ausreise oblag nämlich staatlich gesehen der Hauptabteilung Innere Angelegenheiten im innenministerium der DDR, die für die Arbeit der Abteilungen Innere Angelegenheiten der örtlichen Räte zuständig war. Und dort lag ja das Problem der Antragstellunc und Entscheidung für ständige Ausreisen, während bei mir zu diesem Zeitpunki die Verantwortung für die 'normalen' Reisen lag. Komischerweise wurde ich beauftragt.
Ich habe zunächst geschluckt; erstmal war ich nicht zuständig, aber das zeigt schon die Hektik der Zeit, daß die gar nicht mehr so genau wußten, wer da der richtige Mann wäre. Ich habe dann noch schnell zwischengefragt, soll das auch über die Grenze nach West-Berlin laufen, weil das ja ein beachtenswerter Punkt war - "Ja, ja, auch West-Berlin." Nur hatte man wahrscheinlich nie darüber gesprochen, aber das fällt einem dann so ein. Und ich wagte dann auch noch einzuwenden, da ist doch eigentlich Gotthard Hubrich zuständig, so hieß der leider zwischenzeitlich verstorbene Hauptabteilungsleiter für Innere Angelegenheiten, den ich deshalb nicht mehr als Zeugen benennen kann. "Ja, dann nimm' den morgen dazu. Und dann kommen zu dir zwei vom MfS 'rüber, Ihr setzt Euch zusammen und stimmt das kurzfristig mit der Abteilung Sicherheit im ZK ab und dann legen wir die Regelung vor." Die beiden vom MfS waren der Leiter der Rechtsstelle, Dr. Udo Lemme, und der stellvertretende Leiter der Hauptabteilung VII, Dr. Joachim Krüger. Wir kannten uns von der gesamten Arbeit am Reisegesetz und aus früheren Gegebenheiten. Mit Udo Lemme hatte ich einmal gemeinsam an einer Generalamnestie gearbeitet. Man kannte sich aus verschiedenen Formen der Zusammenarbeit, die - wie gesagt - nicht institutionalisiert waren.
Wir haben uns dann am 9. November etwa um neun Uhr zusammengesetzt; jeder hatte inzwischen diesen Auftrag. Mit Hubrich hatte ich mich vorabgestimmt. Er war glücklich, daß er nun seine Probleme in der DDR lösen konnte, daß es großzügig 'rausgehen sollte und er diesen entsetzlichen Druck los war. Es hat doch keinem Mitarbeiter dieses Staates Spaß gemacht, den Antragstellern auf ständige Ausreise ohne Begründung zu sagen: "Du nicht!" Das war auch ein menschliches Problem. Er war also glücklich und das andere interessierte ihn nicht sonderlich - jeder ist ja doch so ein bißchen ein Fachidiot. Insofern wurde vielleicht auch im nachhinein durch die Medien meine Rolle an diesem Tag herausgehoben, weil ich Protest einlegte und argumentierte, daß es wirklich eine Schizophrenie ist, jeden, der mal seine Tante in Hamburg besuchen will und fest gewillt ist, in die DDR zurückzukommen, nicht fahren zu lassen, aber jeden, der das Land verlassen will, sofort fahren zu lassen - ohne Verfahren, Prüfung oder Genehmigung, ohne alles, was bis dahin üblich war. Ich habe gesagt, das können wir doch nicht machen, das wird doch innenpolitisch völlig idiotisch, was hier dann abläuft.
Hertle: Das war während der Sitzung am 9. November?
Lauter: Ja.
  [...]
Hertle: Sind Sie mit einer fertigen Vorlage in die Beratung am 9. November gegangen?
Lauter: Nein, das war zwischen uns nicht üblich. Es hatte sich eine persönliche Art der Zusammenarbeit zwischen den leitenden Mitarbeitern dieser Organe herausgebildet; dazu genörte auch, daß man den anderen nicht mit fertigen Papieren überrascht hat, sondern in diesem Kreis die Sache ausdiskutiert hat. Wenn man zu einem Ergebnis gekommen war, hat man einen Mitarbeiter herangeholt und dem das diktiert. Die Entwürfe hat man mehrmals diskutiert, schreiben und kopieren lassen, und wenn man sie später dann zum Lesen hatte, wurden sie so lange verändert, bis man zu einem Konsens kam. In solchen Diskussionen gab es auch keine Dominanz eines bestimmten Organs; in diesem persönlichen Kreis galten die besseren Argumente. Oder aber es hatte jemand solche politischen Vorgaben, daß er nicht von seiner Position weg konnte, das gab es auch. Dann lag die Dominanz bei den Vertretern des MfS, weil sie den Direktdraht zum Politbüro hatten und sich auf politische Vorgaben des Generalsekretärs berufen konnten. Das konnten wir als Mitarbeiter des MdI nicht, weil unser Minister in diesem Gremium nicht vertreten war und auch in der Regel erst über Mielke informiert wurde.
Hertle: Die Mitarbeiter des MfS hatten ihren Auftrag von Mielke direkt erhalten?
Lauter: Ja. Solche brisanten Aktionen liefen meines Wissens im MfS so, daß die beauftragten Leute zu ihrem Minister oder zum amtierenden Minister gerufen wurden und von ihm persönlich diesen Auftrag erhielten. Dann wurde in der Regel in Anwesenheit dieser Mitarbeiter mit dem anderen Partner-Minister gesprochen und gesagt: "Paß' mal auf, ich schicke dir jetzt die, und die wenden sich an wen bei dir?" - in dem Fall war das also Lauter - "und die setzen sich dann morgen zusammen und machen das. Bis dahin macht sich mal jeder Gedanken, wie das aussehen könnte." Und so kam am 9. November sicher jeder mit Gedanken, aber nicht mit fertigen, vorbereiteten Papieren.
Hertle: Sie brachten jetzt Ihre Gedanken aus dem Leiter-Gespräch im Mdl mit; mit welchen Gedanken kamen denn die Mitarbeiter des MfS?
Lauter: Sie kamen erst mal mit der Intention, den Auftrag wortwörtlich zu erfüllen, also die ständige Ausreise zu klären, indem wir die ständige Ausreise über die Grenzen der DDR lösen, um den Druck von der CSSR wegzunehmen. Das war ja offensichtlich die Intention dieser Politbüro-Sitzung vom 7. November, wobei sicher die Illusion mitgeschwungen ist, daß die Masse der DDR-Bürger im Land bleiben wollte. Aber aus der Lagekenntnis dessen, was sich in den Paß- und Meldestellen abspielte, den Reisewünschen, den wahnsinnigen Konfrontationen zwischen Polizei und Bürgern, die tagtäglich tausend- oder zehntausendfach abliefen, war mir klar, daß das weder eine kurzfristige noch gar eine mittelfristige Lösung hätte sein können.
Wir hatten exakte Zahlen über die Anzahl der Anträge, auch über die Motive der Antragsteller und ihre soziale Zusammensetzung.
Hertle: Trotzdem glaubten Sie, daß es nicht zu einem Massenexodus aus der DDR kommen würde?
Lauter: Nein, wenn bestimmte politische Bedingungen gesetzt würden. Und wir standen ja noch unter dem Eindruck der Aufbruchstimmung vom 18. Oktober mit der Erklärung von Krenz. Wir waren in einer solchen Anspannung und auch der Hoffnung, ganz subjektiv, also jetzt könnten wir es noch packen. Krenz hatte ja in seiner Erklärung auch Anmerkungen zur Ökonomie gemacht und Öffnungen, marktwirtschaftliche Elemente angedeutet; es wurde ein anderes Verhältnis zur Bundesrepublik angekündigt, es gab die Telefonate mit Kohl und ... und ... und. Diesen politischen Hintergrund muß man ja auch sehen. Und wir hatten ja immer noch den Auftrag vor uns liegen, den Entwurf des Reisegesetzes dahin zu führen, noch 1989 die Reisefreiheit herbeizuführen. Im Prinzip hätte der 9. November auch 21. Dezember heißen können, und dann wäre er legal, also nicht überraschend gelaufen. Das hatten wir alles im Hinterkopf, man darf den 9. November ja nicht aus seiner Vor- und Nachgeschichte herauslösen.
Hertle: Wie kam es jetzt zu diesem berühmten Passus, der "Privatreisen ohne da Vorliegen von Voraussetzungen" erlaubte und offensichtlich den Auftrag des Politbüros sprengte? Wie haben denn Ihre Kollegen vom MfS diskutiert?
Lauter: Dieses Argument war einleuchtend. Ich habe nur auf die von uns vorgelegten Berichte zur Situation des Reiseverkehrs und zur Ablehnung des Reisegesetz-Entwurfes verwiesen und daß es aus meiner Sicht im Interesse der Erhaltung der DDR politisch unverantwortlich wäre, hier eine so einseitige Regelung zu erarbeiten; das wäre aus meiner Sicht auf totales politisches Unverständnis gestossen und hätte zu einer wirklichen Schizophrenie auf diesem Gebiet geführt und dazu, daß die Welle der Anträge auf ständige Ausreise enorm angestiegen wäre. Das habe ich so gesehen, und ich glaube, diese Argumente - wir haben sicher länger als fünf Minuten über diesen Passus diskutiert - haben meine Partner überzeugt.
Wir wußten nicht, wie es ausgeht - nicht im Sinne von Bestrafung oder Absetzung, die hätten das ja jederzeit ändern können. Aber wir waren der Überzeugung, wir müssen eine Lösung vorschlagen, die beide Seiten regelt. Und so steht unter dem Beschluß des Politbüros "Zu Fragen der Regelung der ständigen Ausreise von Bürgern der DDR über die Grenze der CSSR" als erster Punkt "Privatreisen". Das paßt überhaupt nicht zur Überschrift!
Hertle: Der Entwurf wurde in Ihrem Arbeitszimmer erarbeitet. Welchen Weg hat er dann genommen?
Lauter: Das war kompliziert. An diesem Tage fand die 10. Tagung des Zentralkomitees der SED statt, es war klar, daß Minister Friedrich Dickel nicht im Haus war. Ich habe mit seinem Adjutanten - diese Funktion gab es damals - ahgesprochen, daß er einen Weg findet, Friedrich Dickel dieses Papier zuzuspielen und die Partner des MfS, wenn es abgestimmt ist mit der ZK-Abteilung für Sicherheitsfragen - und da gab es Zustimmung, denn das war ja so etwa der Auftrag - es auch ihrem Minister geben und die es dann gemeinsam Krenz irgendwie zuspielen.
Gegen Mittag waren wir fertig und mein Kraftfahrer hat den Entwurf dann zum ZK gebracht.
Hertle: Der erste Weg wäre jetzt gewesen, daß Sie die Zustimmung von Dickel einholen...
Lauter: ...nein, daß ich ihm den abgestimmten Entwurf auf den Tisch lege. So viel Vertrauen gab es; ich brauchte nicht mit ihm zu reden, damit er einverstanden ist. Das mußte er dann schon dort selbst sehen...
Hertle: ... gut, aber er mußte ihn erst einmal in die Hand bekommen, und auf der anderen Seite doch wahrscheinlich Mielke ebenfalls?
Lauter: Ja, das hat aber die andere Seite über ihre Wege organisiert...
Hertle: ... ja...
Lauter: ... und das wurde getan.
Hertle: Dann ging er ins ZK...
Lauter: ... und ab dann war das Papier für uns außer Kontrolle.
Hertle: Sie wissen nicht, was dann weiter mit dem Papier passiert ist?
Lauter: Nein. Ich weiß es nachträglich aus Veröffentlichungen von Schabowski; das sind aber alles Versionen, die ich nicht verifizieren kann.
Hertle: Ein Kurier...
Lauter: ... hat das Papier ins Haus der Zentralkomitees gebracht. Ein Kraftfahrer, ich glaube, es war sogar meiner, hat es in dieses große Haus gebracht. Ich hatte mir bestätigen lassen, daß er es beim richtigen Mann abgegeben hatte. Damit entzog sich die Sache meiner Kontrolle.
Hertle: Wer war der richtige Mann?
Lauter: Na, Dickel dann. Das war ja der Adressat für mich. Ich kann ja nicht üher seinen Kopf hinweg ein Papier des Innenministeriums herausgeben, wenn er Minister ist; das geht nicht.
Hertle: Die Rede Dickels kurz vor Mittag im ZK bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß er eine Vorstellung davon hatte, was Sie gerade ausgeheckt hatten!
Lauter: Nein, das kann er gar nicht. Es gab kein Gespräch. Ich glaube, es gab am Morgen des 9. November ein kurzes Gespräch, da war ich so für zehn Minuten heim Minister. Er bestätigte mir noch mal den Auftrag und ließ sich bestätigen, daß ich diesen auch richtig verstanden und Kontakt mit den Partnern aufgenommen hatte. Es gab in dieser Zeit sehr viele kurze persönliche Kontakte, wo man für fünf Minuten zum Minister gerufen wurde. Da wurden Eilabfragen oder Eilaufträge erteilt zur Zusammenstellung von Zahlenmaterial oder irgendwas - irgendwelche Berichte ganz schnell oder ein Auftrag: Das kriegt man dann im Rückblick auf diese Zeit auch nicht mehr zusammen.
Hertle: Über die Richtung, wie Sie das bereits am 8. November diskutiert hatten, war Dickel dann auch nicht informiert?
Hertle: Bis zum Beginn der ZK-Sitzung nicht?
Lauter: Nein. Ich muß auch ganz ehrlich sagen, daß mir zum Zeitpunkt der Auftragserteilung, die sich innerhalb von wenigen Minuten abspielte, die Tragweite und die Konsequenzen auch nicht voll bewußt waren. Das ist erst beim Überdenken der Sache entstanden.
   
interne Nummer 00006d