Quellennachweis |
Hans-Hermann Hertle; "Der
Fall der Mauer. Die unbeabsichtigte Selbstauflösung des SED-Staates.";
Opladen 1996; ISBN – 3-531-12927-9 |
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Gespräch Hans-Hermann Hertle mit Gerhard Lauter
Berlin, 24.2.1992
[Gerhard Lauter war im November 1989 Leiter der Hauptabteilung Pass
– und Meldewesen im Ministerium des Innern und beauftragt am Morgen
des 9. November die Vorlage für die neue Reiseregelung auszuarbeiten.]
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Hertle: |
Noch einmal zurück.- Die Vorlage kam am 9. November in der
Mittagspause der ZK-Sitzung ins Politbüro, zusammen mit einer
vorformulierten Presseerklärung. Die hatten Sie bzw. der Vierer-Kreis
auch mitverfaßt? |
Lauter: |
Ja. Aber eben mit dem Hinweis, das war dem Politbüro klar,
daß eine Verordnung des Ministerrates erlassen werden muß.
Es gab da folgende Regelung: Es konnten in Dringlichkeitsfällen
- oder in Fällen nicht so großer Wichtigkeit, aber hier
war es dringlich - nach der Geschäftsordnung des Ministerrates
Umlaufvorlagen gemacht werden. Da alle Ministerien in Berlin saßen,
war das kein großes Problem. Da gab es eingespielte Systeme,
daß allen Mitgliedern des Ministerrates eine bestimmte Vorlage
vorgelegt wird mit dem Hinweis, daß sie, wenn bis zu einem
vorgegebenen Zeitpunkt kein Widerspruch eines Ministeriums vorliegt,
als akzeptiert gilt. Und das war mit dieser Vorlage, die wir auftragsgemäß
parallel dazu an den Ministerrat weitergeleitet hatten, so. Die
hatte ich sogar selbst noch zum Leiter des Sekretariats des Vorsitzenden
des Ministerrates gebracht, und der hat das dann gestreut, da gab
es eingespielte Kurierwege, das kann ich jetzt im Detail nicht nachvollziehen.
Bis 18.00 Uhr sollten die Minister zustimmen. Wir hatten noch nach
17.00 vom Minister der Justiz, Herrn Heusinger, einen Einspruch
gegen einen Halbsatz, den er anders formuliert haben wollte, was
aber an der Sache nichts geändert hätte. Das war für
uns ein politisches Signal, daß die Sache noch nicht im Politbüro
beschlossen war, dann hätte sich Heusinger nämlich auch
nicht getraut, da noch was ändern zu wollen. Wir haben dann
noch an diesem Einspruch gearbeitet... |
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[...] |
Hertle: |
Was haben Sie mit dem Heusinger-Einspruch gemacht? Liegengelassen? |
Lauter: |
Nein, wir konnten die Kollegen vom Justizministerium vom Sinn
unserer Formulierung überzeugen. |
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