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Berlin den 11.11.1989
Aktennotiz für den Minister für Nationale Verteidigung.
Zur Entwicklung der Lage auf dem Territorium der DDR, in der Nationalen
Volksarmee und in den Grenztruppen der DDR mit Stand vom 11.11.1989
04.00 Uhr, gestatte ich mir, Ihnen zu melden:
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1. |
In der Hauptstadt der DDR, Berlin, kam es in den Abend –
und Nachtstunden am 10.11. bzw. 11.11.1989 im Grenzabschnitt Brandenburger
Tor auf westlicher Seite zu einer Zusammenrottung von ca. 3000
Personen, davon 900 Personen auf der Mauer.
An der GÜSt Potsdamer Platz versuchten ca. 1000 Personen
mit Hilfsmitteln die Grenzmauer zu zerstören.
An allen Grenzübergangsstellen gab es umfangreiche Bewegungen.
Eine starke Überfüllung entstand zeitweilig an der Grenzübergangsstelle
Invalidenstraße, der durch gemeinsame Anstrengungen von
Angehörigen der Westberliner Polizei und der Deutschen Volkspolizei
begegnet wurde um einen geregelten Ablauf zu gewährleisten.
Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurden registriert:
an den GÜSt zur BRD
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ca. 49436 Ausreisen |
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ca. 18585 Einreisen |
an den GÜSt zu Berlin (West)
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ca. 308 100 Ausreisen |
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ca. 239 800 Einreisen |
W. Brandt befand sich zeitweilig zum Besuch von Freunden in
der Hauptstadt der DDR, Berlin.
Durch die Grenztruppen der DDR wurden wegen versuchten ungesetzlichen
Grenzübertritts
insgesamt 34 Personen festgenommen.
Davon an der Staatsgrenze der DDR
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zu Berlin (West) 1 Person |
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zur CSSR 28 Personen |
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zur VR Polen 2 Personen |
sowie in Richtung der DDR
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von der BRD 1 Person |
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von Berlin (West) 2 Personen. |
In den Bezirken der DDR sind in den Abendstunden des 10.11.1989
folgende Aktivitäten durchgeführt wurden:
Demonstrationen:
Karl-Marx-Stadt ca. 30.000 Teilnehmer
(Auerbach, Flöhe, Klingenthal, Marienberg, Schwarzenberg)
Suhl ca. 1200 Teilnehmer
(Zella-Mehlis, Schleusingen)
Gera ca. 9000 Teilnehmer
(Kahla, Saalfeld, Schleiz)
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4. |
Im WKK Zittau weigerten sich fünf männliche Bürger,
ihrer Einberufung zu den Bausoldaten Folge zu leisten. Sie forderten
die offizielle Anerkennung als Wehrdienstverweigerer und die Möglichkeit,
zivilen Wehrersatzdienst zu leisten. Ihre Forderung wird vom örtlichen
Pfarrer unterstützt. |
5. |
Im Ministerium für Nationale Verteidigung, in den Kommandos
der Teilstreitkräfte der Nationalen Volksarmee, der Grenztruppen
der DDR sowie der Kommandos der Militärbezirke III und V wird
die Erhöhte Führungsbereitschaft aufrecht erhalten. Die
Informationsbeziehungen und Verbindungen des Zusammenwirkens waren
ständig gewährleistet. |
6. |
In der Nationalen Volksarmee und den Grenztruppen der DDR befinden
sich gegenwärtig 178 Hundertschaften in 2 bis 3 - Stundenbereitschaft,
davon
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in den Landstreitkräften 138 |
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in der LSK/LV 13 |
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in der Volksmarine 7 |
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in den Grenztruppen der DDR 12 |
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in den dem MfNV unmittelbar unterstellten Truppen 8 |
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Ich bitte um Kenntnisnahme bzw. Ihre Weisung
Streletz
Generaloberst
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