Datum 12. November 1989
Ereignis 89/11/12/00/A
Quellenart Überrest
Quellennachweis BArch/P, MZA, Strausberg AZN 32666, BL 240-43)
abgedruckt in: Hans Hermann Hertle: Der Fall der Mauer. Opladen 1996.
Quellenabschnitt S. 556 ff
Faksimile  
   
 

Stellvertreter des Ministers
für Nationale Verteidigung der DDR und Chef des Hauptstabes
der Nationalen Volksarmee
Genossen Generaloberst Fritz S t r e 1 e t z

BERLIN

Werter Genosse Generaloberst!

Ich teile Ihnen mit, daß entsprechend einer Bitte des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR, Armeegeneral Heinz K e ß l e r , der Stab der Westgruppe über die beim Oberkommandierenden der Westgruppe der Streitkräfte akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmission
- das Oberkommando der USA-Landstreitkräfte Europa sowie
- die Oberkommandos der britischen und französischen Streitkräfte in Deutschland

aufgerufen hat, sich aus den Ereignissen herauszuhalten, die mit der Entscheidung der Regierung der DDR für eine veränderte Regelung des grenzüberschreitenden Verkehrs von Bürgern der DDR nach der BRD und BERLIN (West) im Zusammenhang stehen, und diese als Akt eines souveränen Staates zu betrachten. Eine diesbezügliche Erklärung des Stabes der Westgruppe ist den Chefs der Missionen am Sonntag, dem 12. 11. 1989, um 09.15 Uhr fernmündlich mitgeteilt worden.

Die Missionschefs haben die unverzügliche Weiterleitung dieser mündlichen Erklärung an ihre Stäbe bestätigt.

Um 13.30 Uhr wurden die Chefs der akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen nach POTSDAM in die Abteilung Internationale Verbindungen des Stabes der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR gerufen, wo ihnen die Erklärung des Oberkommandos der Westgruppe zu den Ereignissen an der Grenze der DDR zur BRD und zu BERLIN (West) überreicht wurde.
Darin äußert das Oberkommando der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR den Wunsch, daß die Oberkommandos
- der britischen Streitkräfte in Deutschland,
- der USA-Landstreitkräfte Europa und
- der französischen Streitkräfte in Deutschland

die von der DDR-Regierung getroffenen Maßnahmen verständnisvoll als Akt eines souveränen Staates betrachten mögen,
- sich jeglicher Einmischung in diese Ereignisse enthalten und
- die erforderlichen Schritte unternehmen werden zur Wahrung der öffentlichen Ordnung in ihren Zuständigkeitsbereichen,
- um etwaigen Störungen der Ordnung und Mißverständnissen vorzubeugen, die die Situation in der DDR ebenso wie in der BRD und BERLIN (West) komplizieren könnten.

Im Auftrage des Oberkommandos der britischen Streitkräfte in Deutschland erklärte der Chef der britischen Mission, daß alle Fragen des Aufenthaltes von DDR-Bürgern in BERLIN (West) und in der BRD ausschließlich von Zivilbehörden behandelt werden.

Die britischen Armeeangehörigen seien angewiesen, sich aus den Ereignissen völlig herauszuhalten.

Der Chef der US-amerikanischen Mission erklärte im Namen seines Oberkommandos, daß die USA-Truppen ihrer normalen Arbeit nachgingen, während Vertreter des Oberkommandos der USA mit Amtspersonen in BERLIN (West) und in der BRD zusammenwirken, um jene bei der Lösung auftretender Fragen erforderlichenfalls zu unterstützen.

Gleichzeitig gab er zu verstehen, daß das USA-Oberkommando Einwände erheben würde, falls Armeeangehörige der NVA der DDR BERLIN (West) besuchen sollten.

Der Chef der französischen Mission erklärte, daß er die Haltung des USA-Oberkommandos voll und ganz unterstütze.

Am Ende der Zusammenkunft wurde den Chefs der akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen erklärt, daß ungeachtet des veränderten Grenzübergangsregimes an der DDR-Grenze zu BERLIN (West) es den Mitgliedern der akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen nach wie vor nur erlaubt sei, die militärische Fahrbahn an der Grenzübergangsstelle "Glienicker Brücke" zu benutzen.

Mit kommunistischem Gruß

12.11.1989 W.Fursin Generalleutnant

   
interne Nummer 0016